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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

252 Ladis Nr. 6 1626

Fassadendekoration mit Bauinschrift, Jahreszahl und Kreuzestituli, Wandmalerei, an der Giebelseite (Nordostseite) des so genannten Stockerhauses. Durch Hanglage zwei- bis dreigeschossiges Mittel­flurhaus mit drei bzw. (mit Erker) vier Fensterachsen. Gebäudekanten durch gemalte Ortsteinquaderung (abwechselnd Diamantbuckel- und mit Wappenschilden belegte Quader) betont, alle Fenster mit illusionistisch aufgemalter Scheinarchitektur gerahmt. Im (Hoch-) Erdgeschoß zwischen den beiden linken Fensterachsen hochrechteckiges Bildfeld mit verlorener Darstellung, darüber allegorische Standfigur der Fides. Auf gleicher Höhe, zwischen (Hoch-) Erd- und erstem (bzw. zweitem) Obergeschoß, links des Flacherkers über dem Tor, ein nur mehr fragmentarisch erkennbares Vollwappen in längsoblongem Lorbeerkranz. Über dem Tor ein kleines Oberlichtenfenster, unmittelbar darüber Konsolenansatz des Flacherkers im ersten (bzw. zweiten) Obergeschoß: zwei abgewendete nackte Atlanten tragen den Erker und flankieren dabei eine längsoblonge Kartusche mit fünfzeilig schwarz aufgemalter Inschrift auf grau-grünem Grund (I). Rechts anschließend hochrechteckiges Bildfeld Beweinung Christi bzw. Pietà vor dem Kreuz (mit Arma Christi-Symbolen an den Balken), über dem Kreuzesstamm auf weißem Spruchband der Titulus (II). Im zweiten (bzw. dritten) Obergeschoß zwischen den beiden linken Fenstern oberhalb der Fides hochrechteckiges Bildfeld Christus am Ölberg, zwischen zweitem Fenster und Erker Standfigur der Hl. Helena. In der Parapetzone des Erkers zwei querrechteckige Bildfelder Hochzeit von Kanaa und Christus bei Zachäus. Rechts zwischen Erker und rechtem Fenster hochrechteckiges Bildfeld Kreuzigungsgruppe (samt Titulus III). Im Giebel links Darstellung eines Überfalls zweier Wegelagerer auf einen Reiter, rechts davon zankendes Paar (?). In der Parapetzone des zweiten Erkergeschosses (Erker geschoßübergreifend bis unter den Giebel hochgezogen) zwei Bildfelder Opferung Isaaks und Kain und Abel. Der beide Felder abgrenzenden Halbsäule ist ein kleiner Wappenschild mit Hausmarke (s. Nachzeichnung in Anhang 1) aufgelegt. Unmittelbar unterhalb der Firstpfette, schräg links über dem oberen Abschluss des Erkers findet sich in schwarzer Farbe eine Jahreszahl (IV); rechts daneben eine gelb gerahmte Nische mit einem nimbierten (?) Gesicht auf grünem Grund, links darunter eine Nische mit vollplastischem Kopf eines bräunlich-schwarzen Raubtiers (?) mit offenem Maul. Das Stockerhaus wurde 1972–76 restauriert (Alois Höfer und Anton Zangerl)1).

Bu. ca. 3–4 cm (I), ca. 7 cm (II und III), ca. 15 cm (IV). – Fraktur (I) und Kapitalis (II und III).


Textedition
			

I. Das Hauß hat / erpaudt Vrban / Bale vnd sein hauß=/fraw Kattarina / Jemnichi[n]a) · II. INRI III. INRI IV. 1626

Anmerkungen
a) im aktuellen Bestand wohl infolge restauratorischen Eingriffs: Jemmchi[n]; oberer Teil des letzten Buchstabens zerstört.

Kommentar

Das reich mit Wandmalereien verzierte Haus zeigt auf der Traufseite noch Reste einer älteren malerischen Fassadengestaltung mit der Jahreszahl 1561 (vgl. Kat.-Nr. 191). Die vorliegenden Inschriften beziehen sich demnach nicht auf den Neubau, sondern lediglich auf eine Umgestaltung des Hauses2) unter den Besitzern Urban Bale und Katharina Jemnich, die offensichtlich 1626 mit einer reichen malerischen Fassadengestaltung abgeschlossen wurde. Katharina Jemnich war möglicherweise eine Verwandte des Gerichtschreibers Jakob Jennich, der auf dem Epitaph der Familie Zeiler in Breitenwang (Kat.-Nr. 333) 1628 als Ehemann der verstorbenen Maria Zeiler bezeichnet wird3).

1) Klien, Beinahe 1000 Jahre 173.
2) Klien, Beinahe 1000 Jahre 172 vermutet eine Erhöhung des Daches, was jedoch die Jahreszahl 1561 unterhalb der Traufe ausschließt.
3) Klien, Beinahe 1000 Jahre 173f. vermutet ohne nähere Begründung eine Herkunft der Katharina „Jemchin“ aus dem Engadin; Urban Bale soll – wegen der Zachäus-Darstellung am Erker – Steuereinnehmer gewesen sein.
Literatur

Ammann, Oberland 204. – Dehio Tirol 451. – Klien, Kunstschätze 112–116. – Klien, Beinahe 1000 Jahre 171–185.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 252,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj252.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Ladis Nr. 6    •  Fassadendekoration  •  Bauinschrift  •  Jahreszahl  •  Kreuzestituli  •  Wandmalerei  •  Fraktur  •  Kapitalis  •  Bale, Urban  •  Höfer, Alois  •  Jemnich, Katharina  •  Zangerl, Anton

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©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)