Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft Band 152/2010, pp. 130-162, 2012/03/29
152. Jg. (Jahresband), Wien 2010
Innerhalb der letzten Jahrzehnte lässt sich ein vermehrtes Auftreten flachgründiger Abtragungserscheinungen – sogenannter Blaiken – auf Wiesen- und Weideflächen der Alpen verzeichnen. Eine Zusammenschau der Studien, die sich mithilfe diverser methodischer Ansätze – von aufwändiger Gelände- und Laborarbeit bis zu komplexen GIS-gestützten Analysen – dem Phänomen Blaike widmeten, zeigt folgende Übereinstimmungen: Es handelt sich bei dieser Denudationsform um einen Abtrag geringer Flächengröße (2–200 m2) und einer Tiefe von maximal zwei Metern. Einzelereignisse führen lediglich zu einem geringen Materialversatz, in der Summe ergeben sich jedoch erhebliche Verluste von Bodenmaterial. Wenn der Abtrag in Form von Translationsrutschungen erfolgt, fällt er in den Prozessbereich gravitativer Massenbewegungen. Dafür bedarf es in der Regel einer präformierten Gleitschicht, die sich an Material- bzw. Lagerungsgrenzen im Untergrund orientiert. Es können aber auch Gleitschneeprozesse zur Ausbildung flachgründiger Denudation führen; diese gehören dann in den Prozessbereich des Massenschurfs. Trittverletzungen der Grasnarbe durch Weidevieh werden ebenfalls den Blaiken zugeschlagen. Als steuernde Parameter sind die Topographie (Hangneigung, Exposition und Höhe), die klimatischen und geologischen Bedingungen (Lockersubstrataufbau), der Boden, die Vegetation und die Nutzung eines Standortes entscheidend. In den einzelnen Studien werden diese Faktoren mitunter sehr verschieden gewichtet, was nicht nur durch die unterschiedlichen Lokalitäten, sondern auch durch den fachspezifischen Fokus bedingt scheint. Weil im Einzelfall immer eine spezielle, kritische Überlagerung mehrerer Parameter zum Abtrag führt, ist die Ableitung relevanter Grenzwerte kaum möglich. Auch in Bezug auf das Prozessverständnis zeigen sich in der Literatur abweichende Auffassungen. Für eine umfassendere Klärung der Zusammenhänge fehlt es oftmals an verlässlichen hydro(geo)logischen sowie substrat- und bodenphysikalischen Daten. Weitere Detailstudien, in denen geophysikalische Messungen und hoch aufgelöste Reliefdaten kombiniert werden, könnten das Prozessverständnis und damit auch die Prognostizierbarkeit weiter verbessern. Um die kritischen Faktorenkombinationen und ihre räumliche Variabilität besser beschreiben zu können, sollte eine systematische Zusammenstellung von Einzelereignissen aus weiten Teilen des Alpenraums angestrebt werden. Nur eine breite und vergleichbare Datenbasis ermöglicht verlässliche räumliche und zeitliche Aussagen, die für zukünftige Entscheidungen immer wichtiger werden. Zudem müssen die Effekte des weit verbreiteten Nutzungswandels noch genauer untersucht werden, denn die Zunahme dieser Denudationsform ist offensichtlich auch durch den Rückgang der Bewirtschaftung bedingt. Forschungsbedarf besteht ebenso im Hinblick auf die Weiterformung existierender Erosionsflächen, da die hierbei erreichten Abtragssummen nicht unerheblich sind. Um dem komplexen Prozessgefüge und seinen möglichen Änderungen gerecht werden zu können, bedarf es schließlich – neben weiteren interdisziplinären Studien auf unterschiedlichen Maßstabsebenen – eines systematischen Monitorings, wie es auch die Alpenkonvention nachdrücklich fordert.
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Shallow Erosion on Grasslands and Pastures of the Alps (Blaiken) – State of the Art, Data Base and Demand for Research
In recent decades, there has been an increased occurrence of shallow erosion on grasslands and pastures of the Alps, the so-called Blaiken. A synopsis of studies, which approached the phenomenon Blaike from diverse methodological angles – from extensive field and laboratory work to complex GIS-supported analysis – revealed agreement on several aspects, i.e. this type of erosion occurs as the displacement of a small area (2–200 m2) at a depth of two meters maximum. Even though each incidence represents a comparatively small dislocation of material, the total number of such erosion events amounts to a considerable loss of soil material. If the displacement occurs in form of translational landslides, it belongs to the process group of gravitational mass movements. Normally, the occurrence requires a preformed gliding horizon in the underground, which is often situated at the boundary between layers of different physical properties (different material, bulk density, etc.). Snow gliding can cause shallow erosion in the form of a superficial erosion process. Sward damages caused by trampling also belong to this type of shallow erosion. The most crucial parameters are topography (slope angle, aspect, elevation a.s.l.), climatic and geological settings, soil conditions, vegetation and land use. Individual studies differ considerably in their assessment of these factors, dependent on the characteristics of the study area and the research focus. In each case, it is the critical interaction of the several parameters that leads to erosion, which makes it particularly difficult to deduce relevant boundary values. A study of the literature also reveals differing concepts of the processes involved. A clarification of the interdependences at work is hampered by a lack of reliable hydro(geo)logical, substrate and soil data. More detailed studies with a combination of geophysical measurements and high-resolution relief data could improve our understanding of these processes and their prognosis. A systematic survey of results from various regions of the Alps is needed to capture the critical interaction of factors and their spatial variability. Only a broad and comparable data base allows reliable conclusions on spatial and temporal aspects, which will become more significant for future decisions. In addition, we need to take a closer look at the effects of widespread land-use changes, as the increase in this type of erosion seems to be caused by the decrease in cultivation. Research is required on further developments in existing eroded areas as the total amounts of abrasion are considerable. Only systematic monitoring, as demanded by the Alpine Convention, can adequately capture this complex process and its potential changes, ideally complemented by interdisciplinary studies on various scales.