Archaeologia Austriaca 107/2023, pp. 241-276, 2023/12/13
Zeitschrift zur Archäologie Europas
Journal on the Archaeology of Europe
Diese Studie untersucht erstmals V. Gordon Childes archäologische und ethnologische Netzwerke in Wien. Der australisch-britische Prähistoriker besuchte Österreich zwischen 1922 und 1953 mehrmals, um prähistorische Sammlungen zu studieren, und stand in engem Kontakt mit österreichischen Prähistorikern und Ethnologen. Ein zentraler Leitgedanke seiner archäologischen Forschung war der kulturelle Diffusionismus, der in der Ethnologie vor allem im Wien der Zwischenkriegszeit eine bedeutende Rolle spielte. Der erste Teil beschäftigt sich mit Childes Kontakten zur Archäologie in Wien. Im Mittelpunkt stehen dabei seine Besuche im Naturhistorischen Museum in Wien, die ihn auch nach Znojmo und Moravské Budějovice in der damaligen Tschechoslowakei führten. Ausführlich untersucht werden Childes Beziehungen zu Adolf Mahr, dem Direktor des Nationalmuseums in Dublin, und zu Oswald Menghin, der in der Zwischenkriegszeit eine Schlüsselposition in der österreichischen Urgeschichtsforschung einnahm. Der zweite Teil beleuchtet Childes ethnologische Verbindungen in Wien. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit zwischen Childe und Pater Wilhelm Koppers, der 1936 ein umfangreiches Werk über die kulturgeschichtliche Herkunft der Indoeuropäer zur Widerlegung der nationalsozialistischen Doktrin veröffentlichte. Es wird die Frage geklärt, welchen Einfluss die Wiener Schule der Ethnologie auf Childes Diffusionskonzept hatte. Für diesen Beitrag wurden zahlreiche Korrespondenzen aus zwölf Archiven herangezogen, die neue Erkenntnisse über die akademischen Netzwerke der untersuchten Protagonisten aufzeigen.
Keywords: Diffusionismus, Kulturkreislehre, Geschichte der Kultur- und Sozialanthropologie, V. Gordon Childe, Adolf Mahr, Oswald Menghin, Wilhelm Koppers