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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
2. Historischer Überblick
Der Politische Bezirk Krems umfaßt mit dem Donauabschnitt zwischen Aggsbach im Südwesten
und Donaudorf im Osten einen großen Teil der 2002 zum UN ESCO-Weltkulturerbe erklärten
Wachau sowie die kulturräumlich mit dieser Stromlandschaft eng verbundenen und aufeinander
bezogenen Regionen zu beiden Seiten der Donau auf einer Gesamtfläche von etwa 924 km². Ein
flächenmäßig kleiner Teil des Bezirks liegt unterhalb der Donau im historischen Viertel ober
Wienerwald des Erzherzogtums Österreich unter der Enns und umfaßt den Wachauabschnitt
zwischen St. Johann im Mauerthale und Mautern am rechten Donauufer, die vom stellenweise
schmalen Uferstreifen weiter landeinwärts nach Süden zu sich erhebenden Hügelketten und
Höhenzüge des bis ins 18. Jahrhundert hinein Aggswald genannten Dunkelsteinerwalds im
Westen und das etwas freiere flache Land zwischen der Donau und dem Göttweiger Berg im
Osten. Hier grenzen nach Süden zu die Bezirke Melk, St. Pölten und Tulln (von West nach Ost)
an. Nördlich der Donau erstreckt sich der größte Teil des Bezirks, in der westlichen Hälfte von
den steil vom Donauufer ansteigenden bewaldeten Höhen des 960 m hohen Jauerlings an der
Grenze zu den nördlich der Donau gelegenen Teilen des Bezirks Melk, über das nördlich der
bekannten Wachauorte am linken Donauufer liegende, meist zugunsten des Weinbaus stark terassierte
Gelände hin zu den stark bewaldeten, schroffen Hängen des Seibers und Sandl, hinter
denen die Hochflächen des Gföhlerwalds und die Region der Kamptalstauseen liegen. Hier
schließt sich weiter nach Nordwesten zu das teils tief eingeschnittene Tal der Großen Krems an,
während an der nordwestlichen Bezirksgrenze in der Gegend von Rastenfeld/Ottenstein der
Südrand des schon zum nördlich und westlich benachbarten Bezirk Zwettl gehörigen Döllersheimer
Ländchens (seit 1941 entsiedelt und Truppenübungsplatz) erreicht wird. An der Nordgrenze
des Bezirks bzw. nördlich von dessen Grenze im anliegenden Bezirk Horn fließt der Kamp
in weiten, von Stauseen unterbrochenen Schleifen ostwärts, am Hornerwald vorbei, um in der
östlichen Hälfte des Bezirks in der Gegend von Plank am Kamp wieder auf Kremser Boden überzutreten.
Nördlich und östlich des Gemeindegebiets der verwaltungstechnisch als Stadt eigenen
Statuts aus dem Bezirksverband herausgehobenen Stadt Krems an der Donau liegen über das
flache Kremsfeld südlich von Langenlois sanft ansteigend ausgedehnte Weinbauflächen, die vom
hier nach Süden, zur Donau hin in weiten Mäandern fließenden Kamp durchschnitten werden.
Im Nordosten begrenzt das Straßertal den Bezirk gegen den Manhartsberg im Bezirk Hollabrunn,
die natürliche Grenze der alten Viertelseinteilung des Erzherzogtums unter der Enns, während
östlich von Krems in der flachen Ebene zwischen Rohrendorf, Gedersdorf und Haitzendorf mit
der Mündung des Kamp in die Donau die Grenze zum Bezirk Tulln verläuft. Auf verhältnismäßig
engem Raum wechseln in reicher und überraschender Vielfalt seit der Altsteinzeit (Gravettien)4
dichtbesiedelte Niederungslagen an der Donau mit heute noch wenig erschlossenen Hochflächen
wie im Gföhlerwald5, der breite Strom mit schmalen Waldbächen, intensiver Wein- und
kleinflächiger Feldbau mit teils intensiver Wald- und Forstwirtschaft (aktueller Waldanteil an der
Gesamtfläche des Bezirks etwa 47%) und gemäßigtes bis warmes Klima mit rauher Witterung
und langen Wintern ab.
Die Entdeckung vor allem der Wachau und des Kamptals, zunächst als romantische und pittoreske,
später als touristische Gegenden bereiteten seit dem frühen 19. Jahrhundert malerische,
später fotografische Ansichten6 der Partien an der Donau und am Kamp vor.
Charakteristisch für die sozialgeschichtliche Entwicklung des Bezirks ist die Tatsache, daß
bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts etwa 35 % der Häuser im Gebiet Krems/Langenlois in
Städten, 45 % in Märkten und nur 20 % in Dörfern lagen, während der Anteil städtischer Häuser
an der Gesamthäuserzahl Niederösterreichs nur etwa 7,5 %, der in Märkten gelegenen etwa 14 %
betrug7. In den heute den Bezirk bildenden 30 Gemeinden (davon vier Stadt- und 20 Marktgemeinden)
mit 211 Orts- und Katastralgemeinden leben bei seit 1971 relativ konstanter Einwohnerzahl
etwa 55.000 Menschen.
Für diese historische Kernlandschaft Österreichs, deren Geschichte weitgehend mit jener des
ganzen Landes identisch ist, spielt die Besiedlung und Nutzbarmachung durch landfremde Herren
seit dem 9. Jahrhundert eine bis heute prägende Rolle. Ausgedehnter, zunächst vor allem Weingärten
einschließender Besitz bayerischer Klöster und des Erzstifts Salzburg führte zur frühen
Entwicklung geschlossener Verwaltungseinheiten. Die Bevogtung dieser geistlichen Güter übernahmen
unter Ausübung der damit verknüpften Gerichtsrechte jedoch lokale Adelige, von denen
die Kuenringer als vielleicht mächtigstes österreichisches Landherrengeschlecht spätestens im
13. Jahrhundert eine herausragende Stellung einnahmen. Durch Ausübung unterschiedlicher
Gerichtsrechte, planvolle Besitzarrondierungen und Anlage von dörflichen, Markt- und Stadtsiedlungen
entwickelten sie ein das gesamte Untersuchungsgebiet überziehendes Herrschaftsgeflecht,
das mit dem Aussterben der in der Donauregion als Herrschaftsinstanz unumgänglichen
Dürnsteiner Linie des Geschlechts in der Mitte des 14. Jahrhunderts von den ebenfalls bedeutenden
Maissauern fortgeführt wurde. Ehemaligen niederadeligen Klienten der Kuenringer bzw.
Maissauer und früheren Dienstleuten der landfremden Klöster und Bistümer gelang es jedoch im
15. Jahrhundert, das durch Abgang auch des letztgenannten Herrengeschlechts entstehende Machtvakuum
unter gleichzeitigem sozialen Aufstieg zu füllen und aus der gewaltigen Erbmasse der
ausgestorbenen Geschlechter kleinere, aber lokal bedeutende Grundherrschaften herauszuschälen.
Die dichte Abfolge von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Herrschaftssitzen im Bearbeitungsgebiet,
nicht selten in Verbindung mit ostentativ angelegten adeligen Erbgrablegen,
spiegelt diese Entwicklungen deutlich wieder.
Den wichtigen Anteil der Klöster an der Entwicklung des Raums zeigt auch die ursprünglich
hohe Zahl an monastischen Gemeinschaften im heutigen Bezirk, von denen das 1083 gegründete
Benediktinerkloster Göttweig zweifellos führenden Rang beanspruchen kann, neben dem aber
im Lauf der Geschichte weitere sechs, in Zeitstellung ihrer Gründung und Ordenszugehörigkeit
heterogene Niederlassungen existierten.
Die gleichermaßen hohe Siedlungs- und Bevölkerungsdichte in der Wachau steht in engem
Zusammenhang mit der bis heute anhaltend bedeutenden Weinproduktion als wichtigstem und
prägendstem historischen Kulturfaktor, da der Weinbau als extrem intensive Bodennutzungsform
zahlreicher Arbeitskräfte bedarf. Die Wachau und das östlich anschließende Kamptal stellen zudem
„primäre“ Weinbaugebiete dar, in denen der Weinbau auf hochmittelalterlichen Wurzeln – für
die weitere Umgebung von Favianis/Mautern ist spätantiker Weinbau durch das Toponym „ad
Vineas“ in Kap. 4,6 der Vita Severini für das späte 5. Jahrhundert belegt – bereits im Spätmittelalter
monokulturelle Züge aufwies. Von besonderer Wichtigkeit für diese Entwicklung war das
lebhafte Engagement in- und ausländischer Klöster, für die Wein ein in mehrfacher Hinsicht
unverzichtbares Produkt darstellte8: unverfälschter, reiner Wein war und ist ein liturgisches
Erfordernis, als Sakramentale wurde er zu Weihehandlungen, als Krankengetränk und zur Taufe
verwendet, als Tischwein im Konvent getrunken, zur Bewirtung der Klosterhandwerker und
Taglöhner ausgeschenkt, für Speisen verkocht, als Heilmittel konsumiert und schließlich als Einnahmequelle
verleitgebt, also entgeltlich ausgeschenkt.
Der in Altbayern/Oberösterreich im 8. Jahrhundert in der Nähe ehemaliger Römerlager (in
der Umgebung von Regensburg, Straubing, Künzing, Hörsching, Aschach, Rohrbach und St.
Florian) nachweisbare klösterliche Weinbau nahm im 9. Jahrhundert durch den Rückgang der im
Rahmen von adeligen Schenkungen verfügbaren Freiflächen an Bedeutung ab. Ausgeglichen
wurde diese Tatsache durch die intensivere herrschaftliche Erschließung des niederösterreichischen
Donautals der Wachau zwischen Melk und Krems, wo seit dem frühen 9. Jahrhundert, besonders
aber seit dem ausgehenden 10. Jahrhundert zahlreiche bayerische Bistümer und Klöster (vor vielen
anderen etwa die Hochstifte Passau und Freising, die Klöster Niederalteich, Tegernsee und
Metten) sowie das Erzstift Salzburg mit teilweise reichen Königsschenkungen in den Besitz von
Weinbauflächen kamen. Nach einer Phase schwächerer Konjunktur in der ersten Hälfte des
10. Jahrhunderts (vielleicht in Zusammenhang mit den in ihrer Bedeutung jedoch meist überschätzten
Ungarneinfällen im heutigen Ostösterreich) nahm die extrem arbeitsintensive Kultivierung
von Rebflächen auf den für den Weinbau klimatisch günstigen, mit Löß überlagerten
Flußschotterterrassen der Donau über dem Gneis- und Granituntergrund der Wachau gegen Ende
des 11. Jahrhunderts wieder stark zu.
Ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich die Gegend um Krems, wo bereits mindestens 13
Grundherren aus Altbayern Lesehöfe besaßen, zu einem Zentrum klösterlicher Produktion des
neben den prestigeträchtigen süßeren, aber nur in vergleichsweise kleinen Mengen verfügbaren
Gewächsen südlicherer Regionen gerne getrunkenen „Osterweins“. Um 1500 besaßen mehr als
doppelt so viele Bistümer und Klöster Lesehöfe in der Wachau, in der Stadt Krems bzw. deren
Burgfrieden und nächster Umgebung hatten je nach Berechnung zwischen 38 und 65 Klöster
wenigstens zeitweilig Weingarten- oder Hausbesitz erworben. Die Lage an der Donau als Verkehrsweg
begünstigte den Transport, in der Frühen Neuzeit auch die ökonomisch zunehmend
bedeutende weitergehende Verhandlung der Weine aus der Wachau und dem Kamptal, an der
gegenüber den Klöstern das Bürgertum der Städte und Märkte im Rahmen des überregionalen
ostmitteleuropäischen Warentauschs (Rohstoffe und Agrarprodukte gegen gewerbliche Erzeugnisse
aus Süddeutschland und Oberitalien) während des 16. Jahrhunderts weit überwiegenden
Anteil gewann. Die klösterlichen Weingärten in der Wachau wurden zum größten Teil auf
Leibgedinge ausgegeben und im Halbbau oder meist im Drittelbau (als Abgabe war der zweite
oder dritte Eimer des gepreßten Mosts an das Kloster abzuführen) bearbeitet. Daneben existierte
auch die Vergabe in Form des Bergrechts, einer freien Erbzinsleihe. Den verbindlichen Lesebeginn
der vergebenen, fast ausschließlich mit „gemischtem Satz“ bebauten Weingärten setzte jedoch
meist der klösterliche (Lese-)Hofmeister fest, was die exklusive Verfügbarkeit des gesamten Tagwerker-
und Lohnarbeiterpersonals auf Dauer der Lese für die klösterlichen Grundherren gewährleistete.
Während die Überwachung der Lese, des Pressens und der Abfüllung des Mosts in der
Regel Aufgabe des Hofmeisters blieb, beaufsichtigte etwa der Tegernseer Abt Kaspar Ayndorffer
(1426–1461) zumindest im Jahr 1447 die Unterloibener Lese persönlich. (Wein-)wirtschaftliche
Interessen führten auch bayerische Bürger ins Land, denen wie vielen anderen Reisenden die
Rückkehr in die Heimat durch verschiedene tödliche Unglücksfälle – die Donau stellte einen
zwar vielbenützten, gerade im Wachauer Abschnitt vor den Regulierungen des späten 19. und
20. Jahrhunderts aber nicht völlig ungefährlichen Verkehrsweg dar – nicht immer gegönnt war
(vgl. die Grabdenkmäler der offenbar während längerer Aufenthalte oder auf Reisen im Bezirk
Verstorbenen in Kat.-Nr. 99 und 213). Die seit dem Spätmittelalter anhaltende Expansion
des niederösterreichischen Weinbaus (durch Gewinnung neuer Rebflächen aus aufgegebenen Wiesen,
Weiden und Äckern in ebenen Lagen) verlangsamte sich mit Erreichen des größten Exportvolumens
nach dem Westen gegen Ende des 16. Jahrhunderts, um unter dem Einfluß des Dreißigjährigen
Kriegs unterbrochen zu werden, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aber einen
neuen Konjunkturzyklus mit Höhepunkt in der Mitte des 18. Jahrhunderts – nun aber bei
stagnierenden Preisen und sinkenden Erlösen für bürgerliche Weinbau- und Weinhandelsbetriebe
– zu durchlaufen. Die Produktion des „Gebirgsweins“ von den alten Anbauflächen wies jedoch
nach wie vor gegenüber dem weniger geschätzten „Landwein“ aus den flacheren Gebieten einen
konstanten Anteil klösterlichen Engagements auf. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte sich
dagegen das Bürgertum zunehmend aus dem unrentabel werdenden Weingeschäft zurückgezogen,
während bäuerliche Klein- und Kleinstunternehmer an deren Stelle traten, bis gegen Ende des
18. Jahrhunderts das Ende des Wachstums mit entschiedener struktureller Überproduktion erreicht
war. Schon seit dem späteren 16. Jahrhundert hatte daneben der zunehmende Konsum des überwiegend
aus herrschaftlichen Brauhäusern stammenden und in herrschaftlichen Tavernen ausgeschenkten
Biers als vorrangig genossenes alkoholisches Getränk dem Wein Konkurrenz zu machen begonnen.
Die politische und Die politische und Ereignisgeschichte des Bezirks und des Landes Niederösterreich fallen mit
der historischen Entwicklung Österreichs untrennbar zusammen, die an dieser Stelle nicht nachzuzeichnen
ist. Spezifika der jeweiligen mikrohistorischen Struktur- und Ereignisgeschichte folgen im nächsten Abschnitt.
2.1. Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte
2.1.1. Dürnstein, Stadtgemeinde (mit Loiben)
Die Pfarrkirche Hl. Quirin im heutigen Unterloiben entstand im Zentrum des möglicherweise
schon im frühen 9. Jahrhundert, spätestens aber seit 1002 mit einer Schenkung von zwei Königshufen
„in loco Liupna“ zwischen Watstein und Hollenstein durch Kaiser Heinrich II. im Besitz
der bayerischen Benediktinerabtei Tegernsee befindlichen Gebiets zwischen Stein und Dürnstein
an der Donau9. Während Oberloiben seit wenigstens der Mitte des 9. Jahrhunderts von Hofarnsdorf
aus verwalteter salzburgischer Besitz war und blieb, entwickelte sich Unterloiben zum Sitz
des Tegernseer Verwalters der Klostergüter in Joching und Unterloiben, wo Tegernsee neben den
älteren Gütern um Bozen in Südtirol seinen reichsten Weingartenbesitz hatte10.
Die mit dem Patrozinium des Mutterhauses Tegernsee versehene Kirche an der Donau wurde
zunächst der Pfarre Krems, dann der 1263 gegründeten Pfarre Stein zugeordnet. Spätestens um
1360 wurde die Kirche, die bereits 1323 auf Betreiben der Unterloibener Quirinsbruderschaft das
Begräbnisrecht erhalten hatte (vgl. eine kaum viel spätere Grabplatte in Kat.-Nr. 20), wenigstens
zeitweise selbständige Pfarre unter dem Patronat des Tegernseer Abtes, die Vogtei wurde bis zur
Mitte des 14. Jahrhunderts von den Kuenringern als Herren von Dürnstein und Inhabern des
neben Spitz und dem Tal Wachau auch Unterloiben umfassenden Dürnsteiner Landgerichts ausgeübt.
1544 begegnet Unterloiben wieder als Filiale von Stein, spätestens im 17. Jahrhundert
betrachteten die Tegernseer Unterloiben jedoch als inkorporierte Pfarre, was 1695 vom Bistum
Passau auch anerkannt wurde, und ersetzten schließlich 1720 die bis dahin auf die Pfarre präsentierten
Weltgeistlichen (zeitweise jedoch auch Dürnsteiner Chorherren und Minoriten aus Stein)
mit eigenen Konventualen als Pfarrvikare, die bis zur Säkularisation Tegernsees 1803 die Seelsorge
in Unterloiben ausübten11. Die vormals Tegernseer Herrschaft Unterloiben und die frühere
Salzburger Herrschaft Oberloiben wurden in der Folge nach Verkauf der k. k. Kameralgüter-
Direktion (auch: k. k. Staatsgüter-Administration) an Alois Graf Geniceo 1813 bzw. von diesem
1838 an Ferdinand Di(e)nstl und Mitbesitzer zum Di(e)nstlgut Loiben, 1971 schließlich die Gemeinde
Loiben mit der Stadt Dürnstein vereinigt12.
Das ursprüngliche Chorquadrat der romanischen Kirche von Unterloiben wurde um 1300
durch den heute spätgotisch veränderten Polygonchor ersetzt, während das Langhaus erst im
15. Jahrhundert ausgebaut, das südliche Seitenschiff offenbar erst 1496 (vgl Kat.-Nr. 100) eingewölbt
wurde13.
Der Ort Dürnstein14, westlich der Stadt Krems an einem schmalen Uferstreifen der Donau in 209
m Seehöhe am Fuß eines bis 546 m hoch aufragenden Felskegels gelegen, wurde erstmals 1158
in den Göttweiger Traditionen genannt. Um die Mitte des 12. Jahrhundert errichteten die
Kuenringer, Ministerialen der Babenberger und Vögte der Wachauer Besitzungen des bayerischen
Klosters Tegernsee, hier auf dem über einer weiten Stromschlinge liegenden Berghang eine Burg,
die zum Jahr 1192 im Zusammenhang mit der Gefangenschaft des englischen Königs Richard I.
(„Löwenherz“) erstmals genannt wurde. Am Fuß des Burgfelsens entstand – vielleicht unter Einbeziehung
eines im Bereich der Kunigundenkirche in der südöstlichen Ecke gelegenen älteren
Straßendorfs – eine vermutlich im frühen 13. Jahrhundert aufgrund des nach Norden schwierigen
Terrains nur im südlichen Bereich regelmäßig angelegte und in zwei zeitlichen Schichten (um
1240 und um 1300?) von starken Mauern umgebene Ansiedlung, die zuerst 1311 in einer
Urkunde Leutolds (I.) von Kuenring für das Dürnsteiner Klarissenkloster als Stadt bezeichnet und
im 14. und späten 15. Jahrhundert mit der Burganlage unter Einbeziehung romanischer Mauerzüge
durch eine weitläufige, großteils noch heute erhaltene Mauer zusammengeschlossen wurde.
Als Burggrafen der Kuenringer in Dürnstein fungierten in meist alle zwei Jahre stattfindendem
Wechsel Angehörige der auch in anderen Zusammenhängen als Klienten des Geschlechts auftretenden
Niederadelsfamilien. Nach dem Aussterben der Dürnsteiner Linie der Kuenringer im
Mannesstamm 1355 gelangte die Herrschaft durch Kauf von deren Erben an die Landesfürsten,
die sie an die Maissauer und nach der Entmachtung Ottos (IV.) von Maissau 1429 an die Eitzinger
verpfändeten. Neben der alten Burg über der Siedlung, dem „unteren Haus“, heute Ruine,
wird in Dürnsteiner Urkunden seit 1450 ein von einem eigenen Pfleger verwaltetes „oberes Haus“
genannt, vermutlich die 300 m weit entfernt höher auf dem Burgfelsen errichtete, heute nur noch
in Resten erhaltene Vorburg zur alten Burg15. 1472 wurden Stadt, Burg und die nun als Tabor
bezeichnete Vorburg sowie Maut und Aufschlag in Dürnstein (erneut) an Stephan von Eitzing
verpfändet16, der 1476 – jedoch ohne als Petent in der Urkunde genannt zu werden – einen
Wappenbrief17 für die Stadt erlangte. Die an der realen baulichen Situation orientierte Darstellung
Dürnsteins im Wappenbild ist die älteste topographische Ansicht der Stadt. Am Ende des 15.
Jahrhunderts und im folgenden Säkulum wechselten zahlreiche Pfandinhaber einander in rascher
Folge ab. 1572 wurde Reichard Streun von Schwarzenau mit Dürnstein belehnt, das er nach Aussage
erhaltener Quellen nicht zuletzt wegen seines landschaftlichen Reizes geschätzt zu haben
scheint und um 1586 mit zeitgemäßen Verteidigungsanlagen (Kanonenrondelle an der Donauseite)
versehen ließ. Von den Erben Streuns gelangten Stadt und Herrschaft 1609 an Christoph
Wilhelm von Zelking, der 1630 das „Neue Schloß“ im Nordwesten der Stadt errichten ließ, durch
Heirat mit dessen Tochter Anna Apollonia 1634 an Otto Heinrich von Zinzendorf. 1663 erwarb
die Herrschaft Konrad Balthasar von Starhemberg, im Besitz von dessen Familie die Stadt bis zur
Aufhebung der Grunduntertänigkeit 1848 verblieb. Die touristische Anziehungskraft der seit dem
Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein hauptsächlich von Weinwirtschaft und Weinausschank
lebenden Stadt als einer der bekanntesten Orte der Wachau gründet sich wesentlich auf die sagenhafte
Aufbereitung der historischen Gefangenschaft des englischen Königs auf der seit dem
17. Jahrhundert ruinösen Burg18. Der besondere Reiz des Ortes als Sehenswürdigkeit besteht in
der malerischen Wirkung19 der beengten Lage zwischen der Donau einerseits und dem steil aufragenden
Burgberg andererseits sowie der Tatsache, daß auch die heutige Siedlung mit Ausnahme
eines modernen Wohnviertels östlich der alten Mauern sich aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten
im wesentlichen auf das mittelalterliche Stadtgebiet beschränkt. Dementsprechend ist
das Stadtbild noch heute vor allem vom ehemaligen Augustiner-Chorherrenkloster auf einer Felsterrasse
unmittelbar über der Donau und der hoch über der Stadt gelegenen Burgruine geprägt.
Ein 1551 ausgebrochener Stadtbrand hat keine nachhaltigen Spuren in der noch zu einem großen
Teil spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Bausubstanz hinterlassen. Von den mittelalterlichen,
noch um 1300 entstandenen Stadttoren ist das südöstliche Kremser (oder Steiner) Tor erhalten
geblieben, während das ehemalige donauseitige Wassertor baulich stark verändert, und das nordwestliche
Weißenkirchner Tor 1862 abgetragen wurde. Die Forcierung des Fremdenverkehrs in
Dürnstein wurde seit der Einrichtung der Schiffsanlegestation 1902 und der Anbindung an die
Donauuferbahn 1909 verstärkt. Seit 1959 wird die Donauuferstraße, vorher durch die schmale
Dürnsteiner Hauptstraße verlaufend, in einem Tunnel unter dem Stadtgebiet durchgeführt20.
Die Geschichte des ehemaligen Augustiner-Chorherrenklosters in Dürnstein21, unmittelbar am
nördlichen Donauufer gelegen, nimmt ihren Ausgang von der zwischen 1371 und 1373 als Stiftung
Elisabeths von Kuenring, Tochter Leutolds (II.) von Kuenring-Dürnstein und Sophies von Maissau,
als Witwe nach Eberhard (VIII.) von Wallsee-Graz in Verein mit ihrem Verwandten Heidenreich
von Maissau22, Oberstschenk und Landmarschall in Österreich sowie Erben der
Dürnsteiner Kuenringer, errichteten Marienkapelle im Kuenringerhof in Dürnstein. Als „Oberkaplan“
23 der Benefiziaten fungierte bis zu seinem Tod, spätestens im Frühjahr 1387, Johannes
Palmer (Hans von Weitra), dem Stephan von Haslach in dieser Funktion nachweislich wenigstens
seit dem Frühjahr 1388 folgte.
In den folgenden Jahren, besonders nach der 1402 erfolgten Inkorporation der seit 1306 mit
einem eigenen Benefiziaten versehenen Johanneskapelle auf der Dürnsteiner Burg, die Stephan
von Haslach seit 1399 gleichzeitig mit dem Dorotheaaltar der Marienkapelle innehatte, erweiterte
dieser den Bau der Marienkapelle durch Anfügung eines neuen, 1407 bereits geweihten Chors
und einer mit dem Allerheiligenpatrozinium versehenen Krypta, möglicherweise Grabstätte der
ersten Stifterin Elisabeth von Kuenring. Stephan beabsichtigte in Fortführung älterer Pläne
Palmers offenbar bald nach seiner Bestellung zum „Oberkaplan“, gemeinsam mit den Maissauern
als Patronatsherren ein weltliches Kollegiatkapitel an der Marienkapelle einzurichten, zu dessen
Dotierung er ebenso wie sein Vorgänger persönlich finanzielle Mittel einbrachte24. 1409 billigte
der Passauer Bischof urkundlich den mittlerweile jedoch – vielleicht unter Einfluß des mit gleichen
Plänen für St. Dorothea in Wien25 umgehenden österreichischen Kanzlers, Wiener Hofkaplans
und Pfarrers von Gars und Eggenburg, Andreas Plank – abgeänderten Wunsch Stephans und des
Maissauers, binnen zwei Jahren ein reformiertes Regularkanonikerkloster in Dürnstein einzurichten26.
Im Februar 1410 berief Otto von Maissau in einem feierlichen, reich illuminierten Stiftbrief schließlich
einen Propst und acht Augustiner-Chorherren aus dem 1367 gegründeten
südböhmischen Reformkloster Wittingau nach Dürnstein, die nach der knapp darauf erfolgten
Resignation Stephans die Kirche übernahmen. Die Umwandlung der Marienkapelle in ein
Chorherrenkloster vollzog als Diözesanbischof Georg von Hohenlohe im Sommer 1410 in einer
entsprechenden Urkunde und übertrug dem Kloster die Rechte der Vorgängerkapelle an den
beiden als Gründungsdotation vorgesehenen Pfarrkirchen von Dürnstein und Grafenwörth.
Schon 1414 wurden vier Dürnsteiner Chorherren zur Besiedlung des vom Wiener Hofkaplan,
Kanzler und Pfarrer der Doppelpfarre Gars-Eggenburg, Andreas Plank, gegründeten Wiener
Dorotheerklosters berufen. Beide Gemeinschaften erhielten 1426 eine gemeinsame, an den Statuten
des südböhmischen Reformklosters Raudnitz orientierte Regel, die sogenannten Wiener
Konstitutionen, die 1450 durch den Passauer Bischof Leonhard von Laiming revidiert wurden27.
Wie bei fast allen niederösterreichischen Klöstern laßt sich auch in Dürnstein ein mit der zunehmenden
Verbreitung der Reformation einsetzender Rückgang der Zahl der bis dahin meist
um die 15 Religiosen bei gleichzeitigem wirtschaftlichen Verfall beobachten. 1544 etwa befand
sich anläßlich der landesfürstlichen Visitation der niederösterreichischen Klöster nur Propst Urban
Hanal, der zur Verminderung der Schuldenlast zahlreiche Grundverkäufe getätigt hatte, mit einem
weiteren Chorherren und zwei Weltpriestern in Dürnstein. Im Jahr 1553, als der auf Hanal als
Adminstrator des Klosters gefolgte Franz Johannes Abstemius (lat. aus Bornemisza) Bischof von
Wiener Neustadt wurde, befanden sich zwar sechs Chorherren im Kloster, der Niedergang
setzte ab 1554 jedoch verstärkt wieder ein. Der seit 1573 regierende vormalige Konventuale des
Wiener Dorotheerklosters, Adam Faber (gest. 1589), scheint konfessionell indifferent gewesen zu
sein, was ein 1586 an Erzherzog Ernst gesandter Bericht des protestantischen Inhabers von Schloß
und Herrschaft Grafenwörth, Hans Rueber von Pixendorf (s. zur Familie Kat.-Nr. 54, 249 und
252) nahelegt. Faber habe selbst im Schloß evangelischen Gottesdienst halten lassen und sei den
Untertanen Ruebers bei der Teilnahme an den evangelischen Gottesdiensten nicht hinderlich
gewesen28. Die nur kurze Amtszeit des offenbar bereits in Ansätzen gegenreformatorisch tätigen
Matthias Schreckseisen (s. Kat.-Nr. 328) brachte noch keine dauerhafte Stabilisierung des Dürnsteiner
Kapitels: Der auf Vorschlag des Passauer Offizials Melchior Klesl 1596 als Administrator
präsentierte Klosterneuburger Chorherr Nikolaus Arnold verstarb nach wenigen Wochen, sein im
Frühjahr 1597 installierter Nachfolger Balthasar Puchseer verschied nach nur zweijähriger Amtsführung.
Der einzig verbliebene Chorherr des Klosters, Johann Hofmann, erwies sich in der
Folge als Administrator als ungeeignet und wurde kurzfristig durch Georg Ursus aus dem St.
Pöltener Kloster ersetzt. Erst mit der 1599 erfolgten Installation des bis 1609 sowie von 1618 bis
1628 regierenden, persönlich jedoch umstrittenen Propstes Melchior Kniepichler (s. Kat.-Nr. 448)
setzte eine längerfristig wirksame Erholung des Kapitels ein.
Einen letzten Höhepunkt in der Geschichte des Klosters stellt die Amtszeit des 30 Jahre lang
regierenden Propstes Hieronymus Übelbacher (gest. 1740) dar. Der 1674 in Oberhollabrunn geborene
Doktor der Theologie ließ Klosterkirche und Konventsgebäude ab etwa 1720 nach eigenen,
in seinen Schreibkalendern festgehaltenen, detaillierten Vorstellungen mit teilweise originellem
ikonographischen Programm weitgehend umgestalten. Nach dem Tod von dessen zweitem Nachfolger
Dominik Ruemer im Frühjahr 1787 wurde das Kloster im Zuge der josephinischen
Klosteraufhebungen zu Jahresbeginn 1788 vorläufig sistiert und dem Kloster Herzogenburg
schließlich am 24. Jänner inkorporiert. Die Klosterbibliothek wurde am 26. März 1789, in 24
Kisten verpackt, an die Wiener Hof bibliothek abgeliefert. Die Baulichkeiten, bald teilweise als
Privatwohnungen adaptiert, stehen bis heute unter der Verwaltung eines vom Herzogenburger
Kapitel gestellten Dechanten, die seit 1742 auch als Pfarrkirche von Dürnstein fungierende ehem.
Klosterkirche wird von einem Herzogenburger Chorherren betreut29.
Die kontinuierliche Entwicklung der Klostergebäude, dem ersten Anschein nach heute aus
einheitlich barocker Bausubstanz zusammengesetzt, wurde erst in neuerer Zeit erkannt. Bereits
seit etwa 1400 waren sukkzessive Häuser und Grundstücke im Umkreis der Marienkapelle angekauft
worden, um darauf die für ein zukünftiges Kapitel erforderlichen Bauten errichten zu
können. Schon zu dieser Zeit dürften auch der dreiflügelige Kreuzgang, im Süden an die Kirche
anschließend, sowie Wohngebäude nördlich der Kirche errichtet worden sein. Über die Baugeschichte
der nächsten Jahrhunderte existieren kaum Nachrichten, doch erfolgten barocke Umbauten
an und in der Kirche sowie an den Klostergebäuden bereits zwischen 1672 und 1676
unter Propst Honorius Arthofer30.
Die tiefgreifendsten, das äußere bauliche Erscheinungsbild des Klosters bis heute prägenden
Veränderungen setzte schließlich Propst Hieronymus Übelbacher. Im Zuge dieser Baumaßnahmen
wurde ab 1717 das Bodenniveau von Kirche und Kreuzgang durch Sprengungen und Felsbrucharbeiten
um mehr als 1 m abgesenkt. Durch diesen Umstand gingen zahlreiche Grabdenkmäler
des Klosters verloren, ein Teil der Inschriften in Kirche und Kreuzgang, nicht aber der Krypta,
die im 16. Jahrhundert vermutlich Begräbnisstätte des Konvents gewesen war, wurde in einer
eigens vor Umbau der Kirche (Grundsteinlegung am 25. April 1721, Abbruch der alten Gewölbe
am Folgetag, drei Tage später Beginn der Fundamentarbeiten) angelegten „Descriptio monumentorum“
(s. unten) überliefert. 15 (!) der 20 dort aufgelisteten Objekte sind verloren gegangen.
Dennoch veränderte der von Übelbacher beauftragte Joseph Munggenast im Grunde nur den
Kircheninnenraum, während die Außenmauern samt dem Dach vom gotischen, bereits teilweise
barock veränderten Bau erhalten blieben31. Auch der von Matthäus Steinl und Munggenast konzipierte
Turm stellt nur eine Umkleidung der gotischen, zuvor unter Arthofer barock abgeänderten
Substanz dar, ebenso wie der gotische Kreuzgang lediglich unter den barocken Anforderungen
an möglichst regelmäßige und symmetrische Grundrißlösungen adaptiert wurde.
Das ehemalige Dürnsteiner Klarissenkloster32, im Südosten der Stadt an der Donau gelegen,
wurde spätestens 1289 als erste Niederlassung des Ordens in der Diözese Passau auf Initiative
Leutolds (I.) von Kuenring an der Stelle zweier Hofstätten ins Leben gerufen und mit Nonnen
des seit 1253 der Ordensregel folgenden Judenburger Konventes besiedelt. Die Anregung zu
dieser wohl in den Gesamtzusammenhang des Dürnsteiner Stadtausbaus der Kuenringer gehörenden
Gründung hatten vielleicht zwei wenig zurückliegende Stiftungen von Niederlassungen für
Frauenorden aus dem familialen Umfeld Leutolds gegeben: Die Einrichtung des auch von Leutold
mehrfach bestifteten Dominikanerinnenklosters Imbach 1269 durch seine Schwiegereltern Albero
von Feldsberg und Gisela von Ort (s. Einleitung zu Imbach) und die des Zisterzienserinnenklosters
von Altmelon (ab 1277 in Krug/St. Bernhard bei Horn) durch Leutolds Onkel Heinrich
(IV.) von Kuenring-Weitra in Verein mit Heinrich Graf von Hardegg 1264/69. Nicht unbedeutender
Besitz neben dem von Leutold als Gründungsdotation gestifteten Patronat über die Pfarrkirche
Dürnstein fiel dem jungen Dürnsteiner Kloster in den ersten Jahrzehnten durch Stiftungen
von den Eltern und Verwandten der zahlreich in den Konvent eingetretenen Nonnen zu. Die
Seelsorge im rasch angewachsenen Kloster übernahmen offenbar schon in den ersten Jahren in
Dürnstein selbst residierende Minoriten aus dem Steiner Konvent, von denen einzelne schon seit
1291 gelegentlich als Urkundenzeugen genannt werden. Eine bislang unberücksichtigte Urkunde
des Klarissenklosters zählt zum Jahr 1302, also etwa zwölf Jahre nach der Gründung des Klosters,
bereits über 40 Klarissen und neun ständig in Dürnstein residierende Minoriten (vgl. Kat.-Nr. 13),
die von zwölf Dienstmägden im Wirtschaftshof des Klosters versorgt wurden. Die 1306
von Leutold zur Versehung regelmäßigen Gottesdienstes und zur Aufrechterhaltung des Stiftergedenkens
im Klarissenkloster nach Dürnstein berufenen drei Minoritenpriester bildeten also
nicht den Ausgangspunkt, sondern lediglich eine Verstärkung des zu jenem Zeitpunkt schon
länger bestehenden Dürnsteiner Minoritenkonvents, dem wenig später weitere acht Ordenspriester
zugeführt wurden, und über dessen Existenz bis ins erste Viertel des 16. Jahrhunderts vereinzelte
Nachweise vorliegen.
Die Reihe der insgesamt 32 Äbtissinnen wurde bis ins frühe 16. Jahrhundert von Frauen dominiert,
die zumeist dem niederösterreichischen Adel entstammten und im Dürnsteiner Konvent
selbst herangezogen worden waren. Das Kloster wurde wie fast alle niederösterreichischen Frauenklöster
nach krisenhaftem Verfall während der Reformation – 1543 zählte der Konvent außer
der Äbtissin acht Nonnen und eine Novizin, 1561 befanden sich nur noch die aus Judenburg
postulierte und wenig später geflohene Äbtissin Barbara Wolmueth, die wegen ausständiger Landsteuern
in Arrest genommene vormalige Äbtissin Martha Baumann und eine Novizin Anna im
Konvent – zwei Jahre nach dem Tod der letzten Äbtissin und einzigen Konventualin, Ursula (II.)
Walch, 1573 aufgehoben, nachdem bereits 1566 eine Versetzung der Äbtissin in das Dominikanerinnenkloster
Imbach und die Vereinigung des Dürnsteiner Klosters mit dem Ybbser Konvent in
Aussicht genommen worden war. Die freigewordenen Gebäude, zunächst zwischen dem Inhaber
der Herrschaft Dürnstein, dem bekannten protestantischen Historiker, Ständepolitiker und Hofkammerpräsidenten
Reichard Streun von Schwarzenau, Richter und Rat von Dürnstein, den
Steiner Minoriten, den Kremser Jesuiten und den Dürnsteiner Chorherren umstritten, gelangten
samt dem Archiv an das Chorherrenkloster unter Propst Adam Faber, das weiterhin für die wöchentliche
Meßfeier und zumindest noch 1625 (s. Kat.-Nr. 441) und 1693 für die bauliche Erhaltung
der Kirche sorgte. In den ehemaligen Konventsgebäuden wurden Amtsträger des Chorherrenklosters
einquartiert und Weinausschank betrieben, bis Propst Gottfried von Haslingen ab 1693
den großen Klosterweinkeller östlich der Stadt mit Abbruchmaterial des Klarissenklosters errichten
ließ. 1715/16 ließ Propst Hieronymus Übelbacher den beschädigten kleinen Kirchturm
abtragen und das Kirchenschiff nach Einschlagen der Gewölbe und Einziehen von drei Balkendecken
sowie Vermauerung der gotischen Fensterbahnen zum Getreidekasten umbauen, im durch
Abmauerung des Triumphbogens abgetrennten und als Kapelle genutzten Chor („Kastenkapelle“)
wurde jedoch bis zum Erlöschen der Meßlizenz gegen Ende des 18. Jahrhunderts weiterhin fallweise
Messe gelesen33. Nach Aufhebung des Chorherrenklosters 1788 gelangte ein großer Teil
des Dürnsteiner Besitzes des Klosters zur Versteigerung. 1791 wurde der Dürnsteiner Kasten, also
die ehemalige Klarissenkirche, an den Dürnsteiner Binder August Schendl verkauft. Im Erbweg
gelangte das Kirchenschiff schließlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an die Dürnsteiner
Familien Hufnagel und Thiery, deren letztere 1884 in den Resten der ehemaligen Klostergebäude
(Dürnstein Nr. 8), seit 1841 Gasthaus, einen bis heute existierenden und im 20. Jahrhundert
zur Hotelanlage erweiterten Gasthof einrichtete, während die Chorkapelle weiterhin in Herzogenburger
Eigentum verblieb34.
2.1.2. Göttweig, Benediktinerkloster Mariä Himmelfahrt
Das Benediktinerkloster Göttweig35 liegt der Stadt Krems gegenüber am östlichen Ausgang der
Wachau und des Dunkelsteiner Walds weithin sichtbar in 425 m Seehöhe auf einer markanten Erhebung des
Göttweiger Bergs am rechten Donauufer. Die Etymologie des für das Kloster namensgebenden
Bergs, bis ins späte 18. Jahrhundert hinein in deutschsprachigen Quellen als
Kotwich oder Köttwein (mit zahlreichen orthographischen und dialektalen Varianten) begegnend,
ist von einer allegorisch-mythologischen Auslegung in der Vita Altmanni (Kap. 26) und dem
Beginn der barocken Hausgeschichtsschreibung an bis in die Gegenwart nicht überzeugend geklärt36.
Von Bodenfunden auf dem Göttweiger Berg berichtete ebenfalls bereits die Vita Altmanni,
spätere Funde (aus Jungsteinzeit, Bronzezeit, Hallstattzeit, von keltischer Keramik aus dem
ersten vorchristlichen Jahrhundert, aus einem römischen Vorlager oder Burgus des befestigten
Kastells Favianis/Mautern um 150 n. Chr. bzw. von Mauerzügen aus dem 2. und 3. Jahrhundert)
wurden noch während der barocken Bauarbeiten im Klosterbereich sowie bei einer Grabungskampagne
des Bundesdenkmalamts 1962–67 rund um die heutige Erentrudis- (früher Sebastians-)Kapelle gemacht37.
Eine Siedlungskontinuität bis ins 11. Jahrhundert hinein ist jedoch – zumal
angesichts der 488 notwendigen Aufgabe des bedeutenderen Mautern – fraglich. Erst seit dem
späten 9. Jahrhundert dürfte eine neue Siedlungstätigkeit auf dem Göttweiger Berg aufgenommen
worden sein.
Die von Bischof Altmann von Passau (1065–1091) initiierte Kanonikerreform, die mit zahlreichen
Klosterneugründungen einherging (Reform von St. Florian und St. Pölten, Gründung
von St. Nikola bei Passau), konzentrierte sich auf den Osten seiner Diözese, seit ihm seine
Bischofsstadt ab 1077 als Anhänger Papst Gregors nicht mehr zugänglich war. Auf dem Göttweiger
Berg in unmittelbarer Nähe der passauischen Stadt Mautern beabsichtigte Altmann offenbar
zunächst lediglich, eine Residenz für sich selbst anzulegen, in deren Rahmen nach der
(fragmentarischen) ältesten Göttweiger annalistischen Überlieferung bzw. der sogenannten Continuatio
Claustroneoburgensis I. am 1. Oktober 1072 bereits eine Kapelle zur Hl. Erentrudis und
ein Marienaltar, der meist als späterer Titelaltar der erst am 9. September 1083 konsekrierten
Klosterkirche angesehen wird, geweiht wurden. Bei den Resten einer 1964 ergrabenen Saalkirche
mit Chorquadrat unter der heutigen Erentrudis- (früher Sebastians-)Kapelle (ehemals der Chor
der mit wechselnden Patrozinien, etwa Hl. Nikolaus und Hl. Maria Magdalena versehenen
Frauenklosterkirche) könnte es sich um eine erste Kirche Altmanns handeln.
Der erst im 12. Jahrhundert (um 1138 in Zusammenhang mit der vielleicht schon 1121/25
erfolgten Anlage des Göttweiger Traditionscodex A und der Vita Altmanni [prior]) formal gefälschte,
in einer copie figurée von zwei Händen nach 1164 vorliegende, inhaltlich trotz Erweiterung der
Pertinenzen entsprechend dem status quo der Anfertigungszeit wohl größtenteils zutreffende
sogenannte Stiftbrief Altmanns für Göttweig (1083 September 9) führt eine reiche
Dotation des Klosters, vor allem mit den Einkünften der ausgedehnten Stephanspfarre Mautern,
der Pfarren Mühlbach am Manhartsberg, (Unter-)Nalb, Petronell, Kilb und Pyhra sowie reichem,
aber weit verstreutem Grundbesitz aus Gütern des Hochstifts Passau ebenso wie aus Eigengut
Altmanns an. Die in der Urkunde erwähnte Mauterner Margaretenkapelle scheint nach dem
Befund der original erhaltenen Weiheinschrift (Kat.-Nr. 1) zum Zeitpunkt der Klostergründung
jedenfalls baulich tatsächlich bereits existiert zu haben.
Die Umwandlung des mit der Kirchenweihe 1083 eingezogenen, in der Vita Altmanni wohl
zu Unrecht übel beleumundeten Kapitels von zwölf Chorherren zu einem im Hirsauer Sinn
reformierten Benediktinerkonvent unter der Leitung des neuen bzw. ersten Abtes Hartmann,
vormals Prior von St. Blasien im Schwarzwald, erfolgte offenbar unter Beteiligung der Göttweiger
Chorherren selbst 1094 nach dem Tod Altmanns, der am 8. August 1091 in Zeiselmauer
verstorben und in seiner bevorzugten Gründung Göttweig bestattet worden war. An das Patrozinium
von Hartmanns Mutterhaus erinnert die um 1100 errichtete spätere Filialkirche St. Blasien
am Fuß des Klosters in Kleinwien im Fladnitztal, in deren unmittelbarer Umgebung die Klostermühle
(später mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Pfisterhof) und die angebliche Wohnstätte
der Inklusin und Dichterin Ava als Teil des Göttweiger Frauenkonvents38 lagen. Dieser
wurde jedoch bald, jedenfalls noch im 12. Jahrhundert, auf den Göttweiger Berg verlegt, wo die
frühere Nikolauskirche unter dem neuen Patrozinium Maria Magdalena als Nonnenklosterkirche
fungierte. Dem zahlenmäßig meist kleinen Frauenkonvent traten in den folgenden Jahrhunderten
wohl überwiegend adelige Damen – vor 1142 Herzogin Gerbirg, Witwe nach Herzog Bořivoj
von Böhmen – bei, die selbst oder deren Verwandte für die Dotierung des Klosters sorgten.
1386 war ein Höchststand des Konvents mit 24 Nonnen erreicht.
Bis zur Abfassungszeit der Vita Altmanni um 1135 existierten als Ergebnis reger Bautätigkeit
– Schenkungen und Stiftungen des benachbarten Adels und babenbergischer Ministerialen wie
der Kuenringer hatten seit 1094 stark zugenommen – bereits acht steinerne Kirchenbauten auf
und unter dem Göttweiger Berg, zugleich hatte der Reformgedanke in Göttweig so stark Wurzeln
geschlagen, daß das Kloster selbst andere Häuser reformierte39. Das 12. Jahrhundert als erstes
Jahrhundert des Klosters war einerseits eine Zeit vielfacher Besitzsicherung (Anlage von Traditionscodices)
und -abrundung und erste Blütezeit literarisch-historiographischer Betätigung (Vita
Altmanni und Göttweiger Annalen) im zahlenmäßig anwachsenden Konvent, während andererseits
Einmischung der babenbergischen Vögte und der Passauer Bischöfe in die Leitung der Abtei
negative Folgen zeigten. Trotz rechtlich konsolidierter Stellung setzten im 13. Jahrhundert wirtschaftliche
Schwierigkeiten ein, die die ausgedehnte, von mehreren Ämtern verwaltete Klosterherrschaft
(zu einem großen Teil auf Weinwirtschaft aufbauend) bis ins 16. Jahrhundert hinein
unter mitunter krisenhaften Erscheinungen, auch als Spiegelbild disziplinärer innerer Unruhen
wie allgemeinhistorischer Umstände (etwa des österreichischen Interregnums im 13. Jahrhundert,
der Pest im 14. und der Hussitenunruhen sowie der zahleichen militärischen Auseinandersetzungen
des 15. Jahrhunderts) begleiten sollten. Bezeichnend ist zudem die Tatsache, daß von
den 28 zwischen 1200 und 1507 regierenden Äbten zehn ihr Amt resignierten oder dessen enthoben
wurden. Steigender landesfürstlicher Finanzbedarf, gehäufte Mißernten und Umwandlung
agrarischer Einkommensstrukturen im Spätmittelalter zwangen zu fortgesetzten ad-hoc-Maßnahmen
zur kurzfristigen Entlastung der Klosterfinanzen durch Verpfändung und Verkauf von
Klosterbesitz und Einkünften, der niemals den Bestand des Konvents insgesamt gefährdete. In
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts brach die Klosterwirtschaft jedoch unter dem ökonomischen
und steuerlichen Druck der unausgesetzten kriegerischen Auseinandersetzungen zusammen.
Kleinen lokalen konjunkturellen Aufschwüngen der Klosterfinanzen folgten immer
wieder Rückschläge, sodaß die ökonomische Situation noch im 16. Jahrhundert, nicht zuletzt
angesichts der wegen der drohenden Osmanengefahr eingehobenen geistlichen Kontributionen,
von denen Göttweig nach Melk den höchsten Anteil zu tragen hatte, äußerst angespannt bleiben
sollte.
Die Reformation scheint im Göttweiger Konvent zunächst keine schlagartige Reaktion ausgelöst
zu haben, nur zwei Mönche dürften noch in den 1520er Jahren als Anhänger der neuen
Lehre das Kloster verlassen haben. In der Klosterherrschaft und den Klosterpfarren dagegen nahm
die Zahl der mit dem Luthertum wenigstens sympathisierenden Laien und Kleriker rasch zu,
wobei sich punktuell, etwa in Niederranna, Ansprüche der neuen Glaubensfreiheit, als deren
Träger vor allem der umliegende Adel hervortrat, mit sozialreformatorischen Forderungen bäuerlicher
Untertanen in Form von Abgabenverweigerungen vermischten. Bis knapp nach der
Mitte des 16. Jahrhunderts war aber auch der Konvent, der 1516 16 Mitglieder, 1541/42 noch
sechs Personen gezählt hatte, mit Ausnahme eines einzigen im Kloster lebenden Klerikers völlig
zerstreut, der schon seit längerer Zeit wie das gesamte Kloster ökonomisch schwach situierte Göttweiger
Frauenkonvent wurde aus Einsparungsgründen 1557 nach St. Bernhard abgesiedelt. Nach
Jahren der Administration Göttweigs durch einen vom Landesfürsten bestimmten Superintendenten
(Propst Bartholomäus de Cataneis von Herzogenburg) sorgte erst der 1564 installierte Abt
Michael Herrlich als „secundus fundator“ (die Bezeichnung wurde durch den Konvent schon
anläßlich von dessen Resignation 1603 aufgebracht) für den Neubeginn monastischen Lebens –
1561 gab es keinen einzigen Konventualen mehr – und die Konsolidierung der wirtschaftlichen
Verhältnisse in Göttweig. Die Jahre nach 1600 brachten dem von tatkräftigen, in konfessioneller
Hinsicht engagiert gegenreformatorisch agierenden, in wirtschaftlicher Hinsicht umsichtigen
Äbten regierten Kloster spürbaren Aufschwung trotz teils drückender Kriegslasten. Im 18. Jahrhundert
schließlich gab der wohl wirkmächtigste Göttweiger Abt, der Polyhistor Gottfried Bessel
(1714–1749)40, das lange wirksame Vorbild für die Förderung aller Arten von wissenschaftlicher
Tätigkeit im Konvent, unter denen die historische Forschung zwar dominierendes, aber keineswegs
einziges Element war und blieb. Hauptaufgabe stellt bis in die Gegenwart jedoch die Seelsorge
in den über 30 Klosterpfarren in Niederösterreich dar.
Am 2. bzw. 17. Februar 1939 wurde das Kloster Göttweig aufgehoben und seines gesamten
Besitzes enteignet. In den Baulichkeiten befanden sich in der Folge abwechselnd eine Napola-Erziehungsstätte,
ein Umsiedlerlager für Bessarabier, ein Kriegslazarett und schließlich ein Lager
für französische Kriegsgefangene. Nach der Befreiung durch sowjetische Truppen konnte der
reduzierte Konvent, der das Kriegsende in Unternalb abgewartet hatte, am 15. August 1945, dem
Patroziniumstag des Klosters, den Neubeginn auf dem Göttweiger Berg setzen. Die langjährige
Regierung Abt Wilhelm Zedineks (1949–1971) führte das Kloster nicht zuletzt als Wirtschaftsbetrieb
und bedeutenden Tourismusfaktor der ganzen Region in die Gegenwart, seit 1973 steht
das Kloster mit einem wieder stark angewachsenen Konvent unter der Leitung des 64. Abtes (bzw.
Abtpräses) Dr. Clemens Lashofer.
Die Erforschung der Baugeschichte des Klosters konzentrierte sich lange Zeit auf den durch
archivalische Quellen gut dokumentierten barocken Umbau der Anlage. Trotz wirtschaftlicher
Schwierigkeiten wurden jedoch schon im Spätmittelalter bedeutende Um- und Neubauten im
Klosterbereich durchgeführt41. Neben der Errichtung der im alten Kreuzganghof zunächst völlig
freistehenden, später mit einem Eingang vom Kreuzgangostflügel her versehenen geräumigen
gotischen Benediktskapelle (erbaut und bestiftet unter Abt Otto 1335) ist vor allem die Neuaufführung
des Konventsgebäudes in den wichtigsten Teilen Kreuzgang (samt Kapitelsaal, zugleich
Barbarakapelle; heute noch der an die Klosterkirche anschließende Südflügel als sogenannter
Apothekergang erhalten), Dormitorium und Refektorium sowie der Gotthardskirche als Pfarrkirche
des Klosters unter Abt Petrus (II.) und der baulichen Leitung des Klosterpfarrers Fr. Ulrich
Lösel im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts zu nennen (vgl. Kat.-Nr. 41 und 43). Wohl noch im
späteren 15. Jahrhundert konzentrierten sich die Baumaßnahmen im Kloster neben der Errichtung
des Chors der Klosterkirche auf die Verbesserung der Wehranlagen des Klosters, in deren Rahmen
wohl auch die heutige Alte Burg (vgl. Kat.-Nr. 195 und 196) als Befestigung der Einfahrt im
Süden der Anlage über älterem Kern der zweiten Hälfte des 12., vor allem aber des 14. Jahrhunderts
errichtet wurde42. Von laufenden Reparaturarbeiten und punktueller Neuerrichtung
einzelner Gebäude (s. etwa Kat.-Nr. 207†) abgesehen, dürfte die Bausubstanz Göttweigs in der
Folge bis zum ersten Klosterbrand 1580 relativ unverändert geblieben sein. Die danach nötigen
Wiederaufbauarbeiten gingen zwar mit einer großzügigen Neuausstattung vor allem der Gotthardskirche
durch Abt Michael Herrlich einher (vgl. Kat.-Nr. 325†, 329†, 330†, 331† und 357†),
bewirkten aber keine tiefergehende Neuordnung der Klosteranlage, lediglich die unter den Äbten
Georg (II.) Falb und David Gregor Corner in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts durchgeführten
Bauarbeiten mit Errichtung eines neuen frühbarocken Konventtrakts im Norden des
Klosters („Neues Kloster“) deuten auf gehobene architektonische Ansprüche der Prälaten hin.
Auch muß das bis dahin romanische Langhaus der Klosterkirche bis spätestens 1642/1668 (Bauinschriften
an der Kanzel, s. Kat.-Nr. 493, und am Langhaussüdportal außen) barock verändert
worden sein. Die bis heute bestimmende Umgestaltung des gesamten Klosters erfolgte jedoch erst
im 18. Jahrhundert. Durch den Baubeginn der neuen Klosteranlage in Melk unter Abt Bertold
Dietmayr (1701/02) sowie andere gleichzeitige Um- oder Neubauprojekte niederösterreichischer
Klöster (Herzogenburg, Dürnstein) wurde auch Abt Gottfried Bessel angeregt und vergab 1714
Aufträge zur Neuplanung der Göttweiger Klostergebäude an Jakob Prandtauer, Balthasar Neumann
und Johann Baptist Maderna, die dafür je 200 fl. erhielten. Diese Pläne sind leider nicht
erhalten geblieben. Da jedoch der Konvent die Zustimmung zum kostspieligen Neubau zunächst
verweigerte, brachte erst der große Klosterbrand vom 17. Juni 1718, den Bessel selbst als gelegt
bezeichnete und an dessen Ausbruch schon zeitgenössische Kritik wenigstens ein Mitverschulden
Bessels sehen wollte, die Notwendigkeit einer weitgehenden Umgestaltung mit sich43. Ab dem
Sommer 1719 wurden nach der Grundsteinlegung zum neuen Osttrakt (2. Juli) ältere Bauteile,
wie die offenbar am stärksten zerstörte alte Gotthardskirche, deren umliegender Friedhof nach
Sekundärbestattung der exhumierten Gebeine aufgelassen worden war, abgebrochen, gleichzeitig
legte Johann Lukas von Hildebrandt (1668–1745) konkrete erste Pläne vor, zu denen ebenfalls
verlorene Konkurrenzprojekte Jakob Prandtauers und Balthasar Neumanns konzipiert wurden.
Ab 1722 nahmen Hildebrandts in Absprache mit Bessel und dem ihn unterstützenden Reichsvizekanzler
Friedrich Karl von Schönborn überarbeitete Pläne festere Formen an, wobei an einer
regelmäßigen, mehrhöfigen Anlage in Anspielung an den spanischen Escorial festgehalten wurde.
Bastionsartige Substruktionen, die aufgrund der Plateaulage des Klosters notwendig wurden, verschlangen
große Summen und hemmten den Fortschritt der Bauten an den Konventsgebäuden
nördlich der Klosterkirche. Von Hildebrandts Idealplan konnte bei der Fortführung der zunächst
von Franz Jänggl ausgeführten Arbeiten unter Hildebrandts Schüler Franz Anton Pilgram
(1699–1761) und dessen Bauführer Matthias Feichtinger bis 1743 schließlich nur ein Teil mit
Abänderungen
tatsächlich verwirklicht werden44. Trotz beeindruckender äußerer Geschlossenheit
und weitgehend einheitlich barocker Wirkung des nur als Torso ausgeführten Neubaus blieb
bis heute an zahlreichen Stellen, vor allem im Süden und Osten der Klosteranlage („Apothekergang“
als Rest des spätgotischen Kreuzgangsüdflügels, spätmittelalterliche Alte Burg, romanischer
Langhauskern und spätgotischer Chor der Klosterkirche, romanischer Baukern der Erentrudis-Kapelle45 etc.)
ältere Bausubstanz erhalten.
Aus dem unter Berücksichtigung kopialer Überlieferung 70 Kat.-Nr. umfassenden Göttweiger
Bestand an Inschriftenträgern, vor allem an Grabdenkmälern, hat sich mit 40 Objekten nur ein
vergleichsweise geringer Teil im Original erhalten. Signifikant ist das Fehlen aller älteren
Inschriften vor der Grabplatte Abt Ulrich (I.) Totzenbachers (Kat.-Nr. 28), was zweifellos hauptsächlich
auf die beiden großen Brandkatastrophen der Klostergeschichte und die daran anschließenden
Baumaßnahmen zurückzuführen ist. Völlig verloren scheinen alle jene Grabdenkmäler
zu sein, die ihren ursprünglichen Standort in der romanischen Klosterkirche hatten. Sie dürften
schon dem barocken Umbau des Langhauses gegen Mitte des 17. Jahrhunderts zum Opfer gefallen
sein, während die bis zum Klosterumbau 1719 in der Gotthardskirche oder dem alten Konventsgebäude
bzw. der Barbarakapelle (ursprünglich zugleich Kapitelsaal) im alten Kreuzgang befindlichen
Grabdenkmäler offenbar zu einem großen Teil entweder im Original oder wenigstens in
guter kopialer Überlieferung auf uns gekommen sind.
Die ursprüngliche Existenz einzelner heute verlorener Grabdenkmäler ist archivalisch belegt
(etwa ein 1518 um 10 lb. den. angefertigtes Grabdenkmal für Abt Sebastian Dräxel [Drechsler]
vom Melker Steinmetz Peter46), andere erhaltene inschriftlose Fragmente lassen sich dagegen
keinen konkreten Personen zuordnen, wie zwei gleichartig gestaltete, annähernd quadratische
Relieftafeln aus Solnhofer Plattenkalk mit den qualitätvollen knienden Figuren zweier Äbte,
vielleicht aus der Werkstatt des Kremser Bildhauers Kilian Fuchs um 160047. Ob es sich hierbei
um Teile zerstörter Epitaphien oder gar Hochgräber (Seitenwände) Abt Michael Herrlichs und
Abt Georg (I.) Schedlers (vgl. jedoch deren erhaltene Gruftplatten in Kat.-Nr. 384 und 388)
handelt, ist nicht zu entscheiden. Immerhin sind sie auch in der umfangreichen kopialen Überlieferung
des Klosters fast völlig übergangen worden.
2.1.3. Grafenegg, Schloß
Den Namen Espersdorf (seltener auch: Aspersdorf), unter dem das heutige Grafenegg vielleicht
1294 in einer Herzogenburger Urkunde aufscheint48, behielten der Ort und der angeblich erst im
frühen 15. Jahrhundert anstelle einer Hofstatt dort entstandene Adelssitz49 bis in die Jahrhundertmitte
bei. Nach dem damaligen Inhaber (seit 1435), dem niederadeligen Jörg (Georg) Wolfenreuter
(vgl. zur Familie Kat.-Nr. 45) erhielt der Sitz zunächst in Anlehnung an den Stammsitz der
Familie, Wolfenreith, die Bezeichnung Neu-Wolfenreith, danach unter Bernhard von Tachenstein
dessen Namen, schließlich unter dem obersten Feldhauptmann Friedrichs III., Ulrich (seit 1472)
Freiherrn von Graveneck (Grafenegg) 1470 dessen Namen. 1477 infolge des Sturzes des Graveneckers
an Kaiser Friedrich III. gefallen, kaufte Heinrich Prüschenk 1495 das Schloß, ließ es
umgestalten und nannte es mit Bezug auf seine untersteirische Freiherrschaft Neu-Stettenberg.
Erst im Lauf des 16. Jahrhunderts begann sich für Schloß und Herrschaft die Bezeichnung Grafenegg
endgültig durchzusetzen. 1534 verkaufte Julius (I.) Graf von Hardegg das Schloß (Neu-Stettenberg)
an Katharina, Witwe nach Adam von Schwetkowitz, von deren Söhnen es 1536
Bernhard Thurzó um 26.000 fl. erwarb und wiederum Umbauten durchführen ließ (s. Kat.-Nr.
209). Bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts folgen wechselnde Besitzer. Von Karl von
Saurau erwarben das damals bereits zu einem weitläufigen mehrtraktigen Gebäude mit Wassergraben
und Wehranlagen ausgebaute Schloß, vormals landesfürstliches Lehen, 1622 die Brüder
Johann Baptist und Johann Peter von Verdenberg um 160.000 fl. als freies Eigen. Johann Baptist
von Verdenberg, dessen weitgespannte Bau- und Stiftungstätigkeit und Begeisterung für künstlerische
Ausstattung seiner Besitzungen bekannt sind (vgl. auch Kat.-Nr. 482), ließ in Grafenegg
weitere Umbauten durchführen. Aus dem Erbe seines Sohnes Johann Ferdinand von Verdenberg
(gest. 1666) kam das Schloß schließlich 1689 an Johann Ferdinand Grafen von Enckevoirt, der
aus dem Besitz samt Zubehör und Mobiliar ein Fideikommißgut machte. Nach dem Tod des
Wenzel Adrian von Enckevoirt erbte das Gut dessen Schwester Maria Antonia von Rottal, von
deren Tochter Maria Franziska Emanuela es 1747 an deren Mann Anton Josef Graf Breuner überging.
Dessen Urenkel August Ferdinand Graf Breuner (1796–1877) schließlich ließ unter nur
teilweiser Ausführung umfangreicher Baupläne des Architekten (seit 1858 Wiener Dombaumeisters)
Leopold Ernst das Schloß zwischen etwa 1845 und 1873 zu einem beeindruckend geschlossen
wirkenden historistischen Ensemble in von englischen Vorbildern (etwa das zwischen 1747/49
und 1792 von Horace Walpole umgebaute Strawberry Hill House in Twickenham, Middlesex)
inspirierter Pseudo-Tudor-Gotik umbauen, einen ausgedehnten englischen Landschaftsgarten anlegen
und das Gebäude zur Erzielung stimmungsvoller und pittoresker Effekte und zur Schaffung
„historischer“ Ensembles mit einer umfangreichen Sammlung an Kunstgegenständen, Mobiliar,
Waffen und Rüstungen ausstatten50. Nach schweren Beschädigungen der Gebäude unter massiver
Dezimierung der Sammlungsobjekte seit 1941 (unterschiedliche Nutzungen) und während der
sowjetischen Besatzung (die Gutsherrschaft als Deutsches Eigentum unter USIA-Verwaltung)
begannen 1967 bestandssichernde Sanierungs-, später bis in die Gegenwart fortgesetzte Restaurierungsmaßnahmen
unter Leitung des Bundesdenkmalamts51.
Aus dem Baubestand des alten Schlosses vor dem historistischen Umbau haben sich an inschriftlichen
Zeugnissen für Baumaßnahmen der Inhaber lediglich ein bisher völlig unbeachteter
Wappenstein (Kat.-Nr. 76) und beschriftete Dachziegeln (Kat.-Nr. 81) des Bernhard von Tachenstein
sowie eine Bauzahl im Treppenturm (Kat.-Nr. 209) aus der Zeit des Bernhard Thurzó erhalten.
2.1.4. Haitzendorf
Die im abgekommenen Ort *Markwartsurfar nahe dem heutigen Donaudorf gelegene Kirche Hl.
Martin war dem Chorherrenkloster St. Georgen (der Vorgängerinstitution des späteren Herzogenburg)
im Jahr 1160 von Bischof Konrad von Passau geschenkt worden. Zwischen 1215 und
1221 wurde nach einem Streit des Propstes mit Dechant Konrad von Krems u. a. entschieden,
daß der Kremser Pfarre Hl. Veit jährlich 1 lb. den. als Widerlegung für die Pfarre in *Markwartsurfar
vom Hof des Klosters in Krems (neben dem Salzburger Hof nahe der Kremser Pfarrkirche
gelegen) zu bezahlen sei. Vor 1336/37 wurde die alte Pfarrkirche in *Markwartsurfar durch ein
Hochwasser der Donau zerstört. Zugunsten des Wiederaufbaus des Gotteshauses im weiter
nördlich gelegenen Haitzendorf erteilte Bischof Albrecht von Passau im Frühjahr 1340 einen
40-tägigen Ablaß für alle Gläubigen, die zu den Baukosten beitrugen. Offenbar war zumindest
der Chor der Pfarrkirche um die Mitte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt und mit Wandmalereien
(s. Kat.-Nr. 25) ausgestattet worden52. 1363 wurde nach dem Tod des früheren Pfarrers
Heinrich der Herzogenburger Chorherr Nikolaus Kling installiert. Ihm folgte ein Pfarrer Friedrich
aus dem Herzogenburger Konvent nach, der bereits 1381 verstarb und vom Chorherrn Johann
ersetzt wurde53. 1476 wurde der durch Blutvergießen (wohl im Zuge der Kämpfe mit den ungarischen
Truppen in der Kremser Gegend) exsekrierte Friedhof der nun neben dem alten Martinsauch
mit dem häufiger in Urkunden genannten Ulrichspatrozinium versehenen Kirche vom
Passauer Weihbischof Albert (Schönhofer) von Salona rekonziliiert, und für die Besucher bestimmter
Feste in der Pfarrkirche ein Ablaß gewährt54. Um 1502 dürften an der Kirche größere
Umbauten durchgeführt worden sein. Drei Indulgenzen aus den beiden Monaten Oktober und
November des Jahres galten den Besuchern der Kirche mit dem neuen Altar zu Ehren der Hll.
Michael, Gabriel und Allerheiligen in der neuerbauten Krypta55. 1506 wurde ein weiterer Altar
zu Ehren der Hll. Sebastian, Florian, Georg und der 14 Nothelfer geweiht56. 1511 stiftete die
Pfarrgemeinde Haitzendorf unter maßgeblicher Beteiligung des Zechmeisters Lienhard Müllner,
der alleine ein Drittel des Stiftungsguts einbrachte, angesichts der großen Zahl der mit regelmäßigem
Gottesdienst zu versehenden Gläubigen einen Marienaltar in der Kirche, als dessen
Benefiziat schließlich Hans Fraiß aus Deinzendorf installiert wurde57. 1522 klagte der Weltpriester
Andreas Stadler zusammen mit seinem Bruder Wolfgang bei König Ferdinand I. über die
Vernachlässigung der explizit als Stiftung ihres Vorfahren Müllner bezeichneten Messe durch das
Kloster Herzogenburg58. 1546 wurde der Weltpriester Leopold K(h)egl in Haitzendorf installiert,
dem die Pfarre im Folgejahr auf Lebenszeit verliehen wurde59. 1576 wurde der Weltpriester Georg
Planderiss auf Lebenszeit zum Pfarrer von Haitzendorf eingesetzt60. 1634 gelangte das Patronat
über Haitzendorf an das Chorherrenkloster Dürnstein unter Propst Nikolaus Hey, nach dessen
Aufhebung jedoch wieder an Herzogenburg61.
2.1.5. Imbach, ehem. Dominikanerinnenkloster
Der Ort Imbach liegt zwischen dem nördlich angrenzenden Markt Senftenberg und dem im
Süden anschließenden, heute zur Stadtgemeinde Krems gehörenden Rehberg im unteren Tal der
annähernd in nordwestlicher Richtung verlaufenden Großen Krems. Nach dem teilweise bis die
Frühe Neuzeit mit dem Namen Minn(e)bach bezeichneten Burgort nannte sich ein seit wenigstens
1130 in Urkunden auftretendes, vermutlich mit den Leng(en)bachern und der Zöbing-Senftenberger
Linie der Kuenringer verwandtes Adelsgeschlecht, gegen Mitte des 13. Jahrhunderts hatten
– möglicherweise durch verwandtschaftliche Beziehungen zu den Minn(e)bachern – mehrere
Adelsgeschlechter Besitz in Imbach.
Das ehemalige Dominikanerinnenkloster Imbach62 wurde 1269 vom einflußreichen österreichischen
Landherren Albero von Feldsberg, Truchseß König Přemysl Otakars II., und seiner Frau
Gisela von Ort auf Eigengütern ins Leben gerufen, wobei die Frühzeit des Klosters nach dem
schon 1270 eingetretenen Tod Alberos von beträchtlicher Förderung Gozzos von Krems als
Stifter sowie als Mittelsmann zu den Kremser Dominikanern und zu Otakar abhängig war. Als
Grundstock schenkte Albero dem zukünftigen Konvent die vormals einem Heinrich Zweymann
gehörige, dem Haus der mit ihm verwandten Starhemberger benachbarte Hofstätte als Bauplatz
für das Kloster, der Dotierung der auszuführenden Stiftung dienten die Patronate über die vermutlich
bereits de facto im Rang einer Pfarrkirche stehende Kapelle Imbach (Inkorporation zugunsten
des Klosters 1289) und die Pfarrkirche Sallingberg samt den zugehörigen Einkünften,
das Dorf Sallingberg und weitere Güter, zu denen im selben Jahr das Patronat über die Pfarrkirche
Altmünster (am Traunsee, inkorporiert 1399) kam. Baumaterial für das zu errichtende
Kloster sollte von der abzubrechenden Burg Imbach auf einem Felssporn des Scheiblbergs am
rechten Ufer der Krems („Burgtal“) gewonnen werden. Gisela vermachte 1270, nach dem Tod
des vermutlich auch in Imbach bestatteten Albero im Frühjahr, angesichts einer schweren Krankheit
für den Sterbfall dem Kloster verschiedene Einkünfte in Nöhagen und Gutenstein, deren
Anfall durch die Genesung Giselas zunächst jedoch nicht realisiert wurde. Dementsprechend
scheinen sie auch bei der taxativen Beschreibung des Besitzstands des jungen Klosters in jenem
die Gründung bestätigenden feierlichen Privileg Papst Gregors X. von 1272, in dem dem Konvent
auch das Recht zur Abhaltung öffentlicher Gottesdienste bei verschlossenen Türen während herrschenden
Interdikts und der freien Sepultur gewährt wird, nicht auf. Im selben Jahr sprach König
Přemysl Otakar II. dem Kloster die niedere und hohe Gerichtsbarkeit (mit Ausnahme von Totschlag,
Diebstahl und Notzucht) zu, 1273 gewährte er ihm Maut- und Zollfreiheit und übertrug
dem Konvent den Zehent in bzw. bei Melk. 1277 wiederholte König Rudolf I. die otakarische
Privilegierung mit der Gerichtshoheit und gewährte den Dominikanerinnen eine tägliche Holzfuhre
aus den landesfürstlichen Wäldern zwischen Krems und Gföhl, aus dem selben Jahr datiert
das päpstliche Privileg, die Imbacher Pfarrkirche von einem Dominikanerpriester versehen zu
lassen. Bereits 1273 hatte der aus dem Kremser Konvent stammende Bruder Engelschalk als Kaplan
des Frauenklosters fungiert63.
Wie in den meisten Frauenklöstern des Mittelalters setzte sich auch der Imbacher Konvent in
der Folge zum wohl größeren Teil aus Töchtern landsässiger Adelsfamilien zusammen, deren
Verwandte oder die selbst dem Kloster noch vor 1300 bedeutenden weiteren Besitz zubrachten64.
Bald nach 1400 geriet der Konvent jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, zu denen wirtschaftliche
Schäden im Zuge eines Hussiteneinfalls vermutlich im Herbst 1425 oder 1427 traten65. Trotz
eines Klosterbrands 1524 und anhaltend bescheidener ökonomischer Situation – 1529 betrug der
von Imbach als Viertel des Klostervermögens zu leistende Anteil der geistlichen Kontribution zur
Türkensteuer nur 300 lb. den., 1533 wurden dem Kloster das Allerheiligen- und unter Hinweis
auf dessen „armut“ infolge „der schweren last und einfall des turckhen“ das Katharinenbenefizium
der Klosterkirche inkorporiert66 – befanden sich die Gebäude und der neben der Priorin
sieben Nonnen und vier Novizinnen im Kindesalter zählende Konvent bei der landesfürstlichen
Visitation 1544 noch in konsolidiertem Zustand. 1561 war die Zahl der Konventualinnen außer
der Priorin dagegen bereits auf vier gesunken, die Pfarren Imbach und Sallingberg versahen verheiratete
Priester, ein konfessionell indifferenter Kaplan des Klosters spendete die Kommunion
auf Wunsch auch unter beiderlei Gestalt. 1564 wurde die zwei Jahre zuvor eingetretene, aus protestantischer
Familie stammende Anna Streun von Schwarzenau mit 28 Jahren Priorin. Unter
ihrer der Mißwirtschaft beschuldigten Nachfolgerin Katharina Maschwander wurde der personelle
Tiefstand mit lediglich zwei Konventualinnen erreicht, deren eine mit dem Bruder der
Priorin entlaufen war. Nach fortdauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge eines Hochwassers
von 1581 bei anhaltend geringer Konventualinnenzahl wurde 1591 die verstorbene
Priorin nicht durch eine Nachfolgerin ersetzt, sondern das Kloster auf Betreiben des Passauer
Offizials in Wien, Melchior Klesl, lediglich unter die Administration einer Imbacher Nonne
gestellt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts befanden sich auch die Klostergebäude in ruinösem Zustand.
Erst gegen Ende des ersten Viertels des 17. Jahrhunderts stabilisierten sich Klosterdisziplin
und Wirtschaftssituation wieder, das 1620 einsetzende Bemühen um Erwerb der von Helmhard
von Friedesheim als Rebellengut eingezogenen Herrschaft Lengenfeld zerstreute sich jedoch. Nach
einem Großbrand am 24. Juni 1759 stand das mit 31 Nonnen finanziell einmal mehr überlastete
Kloster am Rand der Aufhebung. Notverkäufe wie die Veräußerung des Patronats über die oberösterreichische
Pfarre Altmünster an den Passauer Bischof 1763 um 6000 fl. und die Administration
der Temporalien durch fremde Prälaten (Propst Dominik Ruemer von Dürnstein bzw. ab
1777 Abt Rainer [II.] Sigl von Zwettl) retteten den Fortbestand bis zur Aufhebung des Klosters
– als erstes im Waldviertel – im Jänner 1782. Nach kurzfristiger Unterbringung der aus dem
gleichfalls aufgehobenen Karmeliterinnenkloster St. Pölten kommenden Nonnen in den Imbacher
Gebäuden im Sommer 1782 gelangte der gesamte Klosterkomplex an den Religionsfonds, der
1783 die Versteigerung der Baulichkeiten, 1811 den Verkauf der Herrschaft durchführte67. Ab
etwa 1808 wurden die Klostergebäude abgetragen68, die von einem Großbrand des Orts 1865
unbeschädigte Kirche wurde ab 1884 unter Leitung des Kremser Baumeisters Josef Utz d. J. nach
Plänen des Wiener Dombaumeisters Friedrich Schmidt unter teilweisen Eingriffen in die originale
Bausubstanz renoviert.
Die ehemalige Klosterkirche, der bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „einem
schönen Denkmahle altdeutscher Baukunst“69 Aufmerksamkeit geschenkt wurde, gehört trotz der
erst in allerjüngster Zeit in ihrem Umfang deutlicher werdenden Abänderungen durch Schmidt
zu den prominentesten frühgotischen Sakralbauten Niederösterreichs. Das Langhaus dürfte nach
jüngsten baugeschichtlichen Befundungen bereits von Anfang an in zwei Schiffe unterteilt und
mit einem vierjochigen Kreuzrippengewölbe über zwei Achteckpfeilern versehen gewesen sein.
Schon ursprünglich gewölbt war auch der gegenüber dem Langhaus stark erhöht gelegene Chor,
der wohl durch einen Lettner abgeschrankt und über mehrere Stufen erreichbar war. Die vom
Obergeschoß des südlich der Kirche gelegenen Kreuzgangs begehbare zweijochige steinerne Westempore
der Nonnen mußte 1884 einem einjochigen Neubau weichen. Die stilistischen Merkmale
des Chors (Blendarkaden auf Konsolen als Wandgliederung) stellen den Bau in den Umkreis
der otakarischen Bauten in Österreich und Böhmen70.
Erst im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts wurde am Ostende der Langhausnordseite eine
„schöne Kapelle“, die dreijochige ehemalige Katharinen- (heute Josefs-)Kapelle mit darunterliegender
sekundärer Gruft, angebaut, die durch die weitgehende Wandauflösung, das früheste
Auftreten fischblasenartiger Maßwerkformen an den Fenstern sowie die qualitätvolle und originelle
(christologische) Bauplastik zu den meistbesprochenen Baudenkmälern der Hochgotik in
Österreich zählt71.
Eine schon zu Ende des 19. Jahrhunderts verlorene, aber in der Literatur noch nach 1900 erwähnte,
angeblich aus dem 17. Jahrhundert stammende und 1736 renovierte Wandmalerei im
Chor bzw. an der Triumphbogenostseite soll das Stifterehepaar mit erklärender Beischrift wiedergegeben
haben72.
2.1.6. Langenlois, Stadtgemeinde (mit Gobelsburg)
Langenlois73, seit 1925 mit dem Stadtrecht versehen, liegt in 213 m Seehöhe nordöstlich von
Krems nahe am Übertritt des Kamps von den nach Norden reichenden Hügelzügen des Kamptals
am Ausgang des Gföhlerwalds in das flachere Land des Kremsfelds mit der Kampmündung in die
Donau östlich von Krems. Das aus zwei ursprünglich weit auseinander liegenden Siedlungskernen,
dem älteren, als Mehrstraßendorf strukturierten „oberen Aigen“ im Westen und dem im 12. Jahrhundert
planmäßig, zunächst wohl als Angerdorf weiter östlich angelegten, im 13. Jahrhundert
erweiterten „unteren Aigen“ bestehende Stadtgebiet durchzieht auf der beträchtlichen Länge von
fast fünf Kilometern in West-/Ostrichtung der Loisbach. Mit der Gesamtfläche der im Gebiet der
Großgemeinde gelegenen periurbanen Weingärten ist die Stadt Langenlois (seit 1901 samt Haindorf
als östlicher Stadtteil) die größte Weinbaustadt Österreichs.
Das „obere Aigen“ wurde seelsorglich von der 1289 von einem Kaplan Heinrich versehenen
Kirche (im Spätmittelalter mitunter als Pfarrkirche bezeichnet, heute Filialkirche) Hl. Nikolaus,
das „untere Aigen“ von der 1159 von einem „Pfarrer“ Heinrich („Heynricus de Lewbse plebanus“),
1277 vom „Pfarrer“ Schweiker („Swikerus plebanus“) versehenen, aber unter dem Patronat
des Kremser Pfarrers verbliebenen Pfarrkirche Hl. Laurentius betreut. Während das „obere Aigen“
agrarisch orientiert und Weinbauernsiedlung blieb, entwickelte sich das „untere Aigen“ über die
Ausbildung der „Vierzigerschaft“, einer möglicherweise aus den Inhabern der 40 ursprünglichen
landesfürstlichen Lehen des Siedlungskerns entstandenen genossenschaftlichen Gemeinschaft mit
reichem Grund-, vor allem Weingarten- und Waldbesitz, zu einem lokalen Handels- und Gewerbezentrum,
das 1310 bereits als Markt galt (in der Frühen Neuzeit ständiger Montag- und Donnerstagmarkt).
Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurden „oberes“ und „unteres Aigen“ zu
einer Gemeinde Langenlois (so erstmals 1413 genannt) zusammengeschlossen. 1518 verlieh Kaiser
Maximilian I. dem Markt Langenlois einen zusätzlichen Jahrmarkt am Dorotheatag (Februar 6)
und ein Wappen, das auch anläßlich der Stadterhebung 1925 beibehalten wurde.
An der quellenmäßig schlecht belegten Ansiedlung der Franziskaner in Langenlois (Observantenkonvent
zum Hl. Bernhardin von Siena, zwischen 1451 und 1455, vielleicht 1454/55, der Tradition zufolge
auf unmittelbare Anregung Johannes Kapistrans nach einer in Langenlois gehaltenen
Bußpredigt gegründet) war offenbar der Langenloiser Ratsbürger und Richter, Lorenz
(Laurentius) Scherttetzel beteiligt. Im Sommer 1455 erlangten er und seine Frau Ursula einen in
Buda ausgestellten und bescheiden illuminierten Verbrüderungsbrief Johannes Kapistrans74. Diese
Verbrüderungsbriefe, von Kapistran nicht selten nach den demonstrativen „Verbrennungen der
Eitelkeiten“, öffentlichkeitswirksamen Zerstörungen von Luxusgegenständen in den Städten, im
Anschluß an seine Bußpredigten versprochene Versicherungen der Aufnahme der Empfänger in
die Gebetsgemeinschaft der Franziskaner, erstreckten sich zu Lebzeiten Kapistrans neben Einzelpersonen75
häufig auch auf verschiedene Zünfte bis hin zu ganzen Stadtgemeinden. Noch gegen
Ende des 15. Jahrhunderts stellte die relativ junge österreichische Observantenvikarie (Provinz)
für niederösterreichische Empfänger solche Verbrüderungsbriefe aus76. Das gegen Widerstand der
Pfarrer von Langenlois, Gobelsburg, Hadersdorf, Zöbing, Schönberg, Lengenfeld, Schiltern,
Stratzing, Gedersdorf und Etsdorf, die 1456 Beschwerde über den in Langenlois neu angesiedelten
Konvent und die damit verbundene Schmälerung ihrer Einkünfte aus der Verrichtung pfarrlicher
Tätigkeiten beim Salzburger Erzbischof Sigmund einlegten, offenbar mit Stiftungsgeldern der
Langenloiser Bürger zügig auf dem heutigen Franziskanerplatz erbaute Langenloiser Franziskanerkloster
(1456 noch hölzerne Kapelle, 1458 Oktober 27 bereits Weihe der Kirche, einer Pfeilerbasilika
mit dreijochigem Langchor und 5/8-Schluß, 1459 Wahl des Vikars der österreichischen
Provinz auf dem Kapitel in Langenlois) wurde auch in der kurzen Zeit bis zum Wirksamwerden
der Reformation vorwiegend von lokalen Stiftern mit Zuwendungen bedacht77.
Als prestigeträchtige Begräbnisstätte des Langenloiser Bürgertums scheint sich das junge Franziskanerkloster
gegenüber der Pfarrkirche Hl. Laurentius – wohl auch aufgrund der restriktiven Regelungen
der Bestattungsfrage des Ordens – bis ins 16. Jahrhundert nicht etabliert zu haben. Lediglich
drei Grabdenkmäler von ehemaligen Baumeistern, also den Verwaltern der Klosterfabrik und
des Stiftungsvermögens, sind kopial überliefert (Kat.-Nr. 96†, 131† und 202†), soferne nicht weitere
Grabdenkmäler der Neupflasterung des Kirchenbodens 1720 zum Opfer fielen78.
Die ursprünglichen Gebäude wurden später mehrfach verändert. 1519 wurde ein Brunnen mit
Wasserleitung zur Versorgung des Klosters auf dem benachbarten Grundstück des Langenloiser
Bürgers Thomas Lechner errichtet. 1531 schlossen Richter und Rat von Langenlois nach den
bitteren Erfahrungen der osmanischen Streifzüge der letzten Jahre einen Vertrag mit dem Franziskanerkonvent,
wonach die Bürger auf ihre Kosten das Franziskanerkloster wehrhaft befestigen
und zu einer Fluchtstätte für Kriegszeiten umbauen durften79. Schon im Folgejahr erfolgte jedoch
ein osmanischer Angriff, vor dem der Konvent aus dem Kloster flüchtete und angesichts der am
Kloster entstandenen Schäden sowie der wohl aufgrund stark zurückgegangener Stiftungsfrequenz
fatalen wirtschaftlichen Situation vorerst nicht wieder zurückkehrte. Nach dem verheerenden
Langenloiser Großbrand, der am 28. Februar 1570 ausgebrochen war und angeblich 47 Häuser
zerstört hatte, ersuchten Richter und Rat den NÖ Klosterrat um Einräumung des leerstehenden
Klosters als Ersatz für das erst 1548 weitgehend umgebaute, 1564 bereits wieder reparaturbedürftige,
nun aber abgebrannte Bürgerspital (vgl. Kat.-Nr. 47, 229, 232†). Ab 1582 bestanden gegen
die Hoffnung der Gemeinde, die Gebäude endgültig in ihren Besitz nehmen zu können, Pläne
einer Wiederansiedlung des Konvents, die jedoch erst fünf Jahre später realisiert werden konnte
und im Rahmen eines Einzugs der vier Mönche am 10. Oktober 1587 als gegenreformatorische
Propaganda notdürftig inszeniert werden sollte. Zwischen 1665 und 1672 wurde das Konventsgebäude
für den wieder erstarkenden Konvent umgebaut und teilweise neu errichtet (Stiftung des
Trakts mit Refektorium und Zellen durch den 1666 verstorbenen „secundus fundator“ Johann
Ferdinand von Verdenberg), durch den großen Brand vom 24. März 1676, der 37 Bürgerhäuser
vernichtete, jedoch wieder beschädigt. 1739 betrug der Stand der Konventualen 31 Personen.
Anders als die meisten niederösterreichischen Klöster, die der josephinischen Aufhebungswelle
zum Opfer gefallen waren, wurde das Langenloiser Kloster, das bereits 1783 zusammen mit dem
Franziskanerkloster Eggenburg für die „Remedur“ vorgesehen wurde, nach erfolgloser Supplik
der Marktgemeinde von Anfang 1784 am 25. September 1795 mit Unterstützung des St. Pöltener
Konsistoriums unter Kaiser Franz II. aufgehoben. Am 17. Dezember 1796 wurde per Regierungsbeschluß
die Veräußerung der schon am 6. Oktober durch den Kremser Dechant entweihten
Kirche und der Konventsgebäude verfügt. Mehrere barocke Altäre wurden an verschiedene
niederösterreichische Kirchen abgegeben, am 7. August 1797 erwarb die Marktgemeinde Langenlois
die Baulichkeiten um 3000 fl. In den ehemaligen Klostergebäuden befanden sich in rascher
Folge ab 1854 das k. k. Bezirksgericht, ab 1861 die Landesirrenanstalt, ab 1902 das Bezirksarmenhaus,
ab 1920 eine Schlosserei, später das Depot der Freiwilligen Feuerwehr Langenlois, schließlich
ab 1961 die Landesberufsschule für das Baugewerbe mit Internat (Zubau 1986). Neben die
beiden letztgenannten noch bestehenden Nutzungen traten ein Dachdeckermuseum/Fritz und
Rupert Hatschek-Museum sowie 1992 ein im adaptierten Chor der Kirche eingerichtetes Maurermuseum80.
Als inschriftliche Quellen zur wenig bearbeiteten Geschichte des Klosters haben
sich eine Altarpredella (Kat.-Nr. 109) im Heimatmuseum Langenlois und die erst nach Abschluß
des Manuskripts des vorliegenden Bands freigelegte gemalte Weiheinschrift zu einem verlorenen
Lettneraltar (Kat.-Nr. 184a) erhalten.
Die vor allem auf die überregionale Verhandlung der Hauptprodukte Wein und Holz sowie
Getreide abgestellten Handelskontakte des Markts reichten im Westen nach Süddeutschland und
im Süden nach Oberitalien und sorgten neben den für den lokalen Bedarf produzierenden üblichen
bürgerlichen Gewerben81 für mittelstädtischen Wohlstand. Die in jener ökonomisch günstigen
Phase, meist in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bzw. um 1600 entstandenen, teilweise
über spätmittelalterlichem Kern umgestalteten frühneuzeitlichen „Ackerbürgerhäuser“ mit Hoff
lügeln, teilweise mit Laubengängen, prägen das Stadtbild vor allem im „unteren Aigen“ trotz
zahlreicher mehr oder weniger ausgebreiteter Brände während der Frühen Neuzeit bis heute82.
Im 16., vor allem aber im 17. und 18. Jahrhundert zählte Langenlois zu den mit Abstand größten
landesfürstlichen Orten im Land unter der Enns (1666 vor Krems an dritter Stelle nach Wien und
Klosterneuburg) und wurde selbst in den Akten der NÖ Kammer mitunter fälschlich als Stadt
bezeichnet.
Noch bis weit in das erste Viertel des 17. Jahrhunderts hinein hielt die weitaus überwiegende
Mehrheit der Langenloiser Bevölkerung, vor allem des Ratsbürgertums, das sich in seinen Spitzen
nach wie vor aus den „Vierzigern“ rekrutierte, an der protestantischen Konfession fest. Der
Langenloiser Pfarrer Wolfgang Khelner mußte sich 1599 dem Passauer Offizial in Wien gegenüber
in der konfessionell schwierigen Bestattungsfrage verantworten, „warumb ich indifferenter die
todten leüt auf meinem freydhoff mit catholischen ceremonien zu begraben pfleg“. Khelner gab
an, „daß es meine antecessores also angefangen und continuiert haben, seitemal sonsten kain
besundere (protestantische) begrebnuß alhie ist, ich auch alzu schwach für mein person allein, sie
außzuschlissen, unnd würde bey denen stätten sterblauffen, da ich verwichnes jar uber die 600
person eingraben müssen, mit verwägerung (!) der gewönlichen begrebnuß mehrers unglickh bey
dem schwyrigen volckh erweckhen unnd ursach zu anderm fürnemen geben; so geschicht auch
bey andern noch unreformierten umbligenden pfarren dergleichen; da aber die reformation mit
meinen pfarrkhindern fürgenommen unnd einen nachtruckh hette, wollte ich nit der lezte sein,
alles dasjenig zu thun, was ein catholischen pfarrer gebürt unnd obligt.“83
Zwischen 1623 und der Ausweisung der jüdischen Bevölkerung aus Niederösterreich 1671
konnte sich in Langenlois als einzigem landesfürstlichen Markt des Erzherzogtums eine sowohl
zahlenmäßig (mit geschätzten fünf bis zehn Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung) als auch
ökonomisch bedeutende jüdische Landgemeinde etablieren84. Mehrere epidemische Seuchen und
die Pest führten vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in die 1630er Jahre zu spürbaren Bevölkerungsverlusten.
In der Endphase des Dreißigjährigen Kriegs in Niederösterreich wurde Langenlois im März 1645 von
schwedischen Truppen General Torstensons schwer verwüstet, was zusammen mit
Mißernten späterer Jahrzehnte und der Brandkatastrophe von 1676 zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen
Schwächung des Marktes führte, von der sich Langenlois erst im 18. Jahrhundert
wieder erholte.
Obwohl die Langenloiser Pfarrkirche stets Hauptbestattungsort des finanzkräftigen Ratsbürgertums
gewesen war, haben sich bis auf zwei Priestergrabplatten und eine Wappengrabplatte
(Kat.-Nr. 73, 102, 391) keine Grabdenkmäler aus dem Bearbeitungszeitraum erhalten. Die Hauptursache
dafür dürfte darin bestehen, daß 1633 das Fußbodenniveau durch Aufschüttung um etwa
einen Meter erhöht und dabei vermutlich die im Boden befindlichen Grabplatten zerstört wurden.
Gleichzeitig wurden der offenbar wenigstens in Resten noch vorhandene Lettner und mehrere
Altäre abgetragen85. Bei der Absenkung des Fußbodenniveaus auf die ursprüngliche Höhe anläßlich
der tiefgreifenden Rekonstruktionsarbeiten 1959/60 wurden offenbar keine Grabdenkmäler
gefunden.
In Gobelsburg, im 12. Jahrhundert im Besitz einer Nebenlinie der Kuenringer, im 13. Jahrhundert
der Seefeld-Feldsberger, dann der Herren von Falkenberg bzw. vor 1440 der Maissauer, existierte
spätestens 1214 eine Kapelle. In diesem Jahr gestattete der Passauer Bischof auf Bitte Weikards
von Seefeld-Feldsberg, Truchseß von Österreich, und unter Zustimmung des Kremser Pfarrers
Konrad, daß die vier Dörfer Gobelsburg, Haindorf, *Grafendorf und Zeiselberg mit Begräbnis
und Kindertaufe von der Gobelsburger Kapelle aus versorgt werden durften. 1219 erscheint bereits
ein „plebanus“ Dietrich86. Die Pfarre Gobelsburg stand stets stark unter dem Einfluß der Herrschaftsinhaber
von Gobelsburg, die die Vogteirechte ausübten und mitunter auch das eigentlich
dem Dominikanerinnenkloster Imbach zustehende, von den Nonnen 1289 von Ulrich von
Taufers erkaufte Patronat über die Pfarrkirche87 bestandsweise innehatten. 1426 ist ein Altar mit
dem Titel Hl. Kreuz auf der Empore der Kirche („auf der parkyrichen“) belegt88.
1565 berichtete der vormalige Pfarrer Stephan Gschmeydlinger (auch: Gschmeidler) an den
Passauer Offizial in Wien, daß er sich nach nur einem Jahr im Amt aufgrund der Eingriffe des
Herrschaftsinhabers, Wolf(hart) Streun von Schwarzenau zu Hartenstein, nicht länger in Gobelsburg
halten könne. 1564 war Christoph von Althan, der die Herrschaft Gobelsburg 1555 von
Julius (I.) Graf von Hardegg angekauft hatte, Vogtherr der Pfarre gewesen und hatte der Pfarre
29 Untertanen entzogen. Obwohl die Rechtsverhältnisse auf Anrufung Kaiser Ferdinands I.
zugunsten des klagenden Pfarrers entschieden worden waren, setzte Streun, der die Herrschaft
inzwischen übernommen hatte, die Besteuerung der Pfarruntertanen fort, kündigte – entsprechend
einer zu jener Zeit in Niederösterreich vor allem bei protestantischen Adeligen weitverbreiteten
Rechtsvorstellung – das Dienstverhältnis Gschmeydlingers und nahm einen anderen
Geistlichen auf, eine mit dem geltenden katholischen Patronatsrecht unvereinbare Vorgangsweise.
Bei der gewalttätigen Räumung des Pfarrhofs floh Gschmeydlinger schließlich nach Wien89.
Die Herrschaft Gobelsburg samt Engabrunn, in deren Umgebung (Kammern, Weinzierl) das
Kloster schon seit 1171 Besitz hatte, kaufte das Kloster Zwettl erst 1740 mit dem 1725 nach Plänen
Joseph Mung(g)enasts anstelle des aus dem 16. Jahrhundert stammenden und mit der Kirche als
Wehranlage verbundenen Vorgängerbaus errichteten neuen Schloß vom verschuldeten Otto Achaz
Ehrenreich Graf von Hohenfeld um 100.000 fl. an. Mit dem Erwerb Gobelsburgs wurde der alte
Klosterhof in Kammern, aus einer ursprünglichen Grangie des Klosters entstanden, als lokales
Verwaltungszentrum im unteren Kamptal obsolet. Nach dessen Brand 1784 wurde die Verwaltung
endgültig nach Gobelsburg verlegt. Seit 1933 ist das Weingut Schloß Gobelsburg, einige Zeit auch
Außenstelle des Museums für Volkskunde in Wien, das letzte Weingut des Klosters. Bis 1996
wurde es unmittelbar vom Kloster aus geführt und ist seither verpachtet90.
In der 1517 neu eingerichteten oder wenigstens mit einem neuen Zugang außen an der Chorsüdseite
versehenen Gruft unter dem Chor der ursprünglich wehrhaften Pfarrkirche wurden offenbar
bis ins 18. Jahrhundert hinein Angehörige der Herrschaftsinhaber bzw. anderer adeliger
Familien aus dem Pfarrgebiet bestattet. Vor 1860 befanden sich noch vier intakte Särge in der
Gruft, die durch die Sargtafelinschriften dem 1624 verstorbenen Kremser Ratsbürger und kaiserlichen
Hofdiener Wolf Carl von Carlshofen zu Mühlbach und Haindorf (vgl. Kat.-Nr. 492), dem
1626 im Alter von 20 Jahren verstorbenen Karl von Polheim, Sohn des 1616 in Gobelsburg verstorbenen
kaiserlichen Mundschenks und NÖ Herrenstandsverordneten Maximilian (II.) von
Polheim zu Rastbach, Ottenschlag und Gobelsburg (vgl. Kat.-Nr. 392) und der Elisabeth von
Zelking, dem 1629 verstorbenen Gottfried von Polheim und schließlich dem 1715 verstorbenen
Obersten und Viertelshauptmann ober Manhartsberg, Otto Ferdinand von Hohenfeld zuzuordnen
waren91. Nach einer Beschreibung der damals baufälligen und statisch gefährdeten Pfarrkirche
aus dem Jahr 1655 befanden sich damals „bei der gruft“ (in der Gruft an einem Altar?) alte und
schwer beschädigte Gipsstatuen (?) der zwölf Apostel und Mariä Himmelfahrt92. Ab 1749 wurde
die Kirche umfassend umgestaltet.
2.1.7. Maria Laach am Jauerling, Pfarr- und Wallfahrtskirche
Eine Kapelle in Maria Laach am Südabhang des Jauerling ist bereits zum Jahr 1263 belegt. 1336
war sie eine Filiale von Weiten und wurde mit dieser Pfarre 1432 dem Kollegiatstift Vilshofen
inkorporiert. 1462 verpflichtete sich das Stift zur Unterhaltung eines eigenen Kaplans in Maria
Laach93. Die Kuefsteiner Gruft in der Pfarrkirche hatte Hans Georg (III.) von Kuefstein als Patronatsinhaber
wohl bald nach dem Erwerb des Schlosses Zeißing 1576 einbauen lassen. In seinem
Testament von 1603 erwähnte Kuefsteiner bereits mehrere Gruftbestattungen verstorbener Angehöriger.
Damit war Kuefstein von der älteren Grablege in der bei Greillenstein gelegenen Pfarrkirche
Röhrenbach, wo noch sein Vater Lorenz, seit 1534 Inhaber von Greillenstein, 1547 bestattet
worden war, und Hans Georg möglicherweise ursprünglich auch seine eigene Beisetzung
geplant hatte, abgekommen. Grund dafür war möglicherweise ein 1562 ausgebrochener Begräbnisstreit
zwischen dem Protestanten Kuefstein, der einen auf dem seit etwa 1560 grundlegend und
repräsentativ umgebauten Schloß Greillenstein verstorbenen Verwandten in Röhrenbach begraben
lassen wollte, und dem katholischen Pfarrer der Kirche, einem Konventualen des nahen Benediktinerklosters
Altenburg, dem die Pfarre inkorporiert war94.
Im März oder April 1620 wurden das von Hans Ludwig von Kuefstein umgebaute Schloß
Zeißing und die Maria Laacher Kirche von Reitern des Generals Bucquoy geplündert, wobei auch
die Kuefsteiner Gruft aufgebrochen wurde95. Spätestens Hans Leopold von Kuefstein gab schließlich
um 1720 die Laacher Grablege endgültig auf und ließ die ehemalige Spitalskapelle in Röhrenbach
(neuerlich?) zur Gruftkapelle umbauen96.
1789 wurde die Laacher Gruft nach dem wenige Jahre zuvor von Joseph II. verhängten Verbot
der Kirchenbestattungen aufgelassen. Am 31. März des Jahres wurde die vor dem Hochaltar gelegene
und mit einem Abgang unmittelbar hinter dem Speisegitter versehene Gruft mit Genehmigung
der NÖ Landesregierung geöffnet. Die 21 vorgefundenen Kupfersärge von Angehörigen
der Familie Kuefstein wurden geborgen, die Namen und Todesdaten der Verstorbenen anhand
der – leider nicht im Wortlaut – überlieferten Sargtafelinschriften aufgenommen und die sterblichen
Überreste auf dem Friedhof beigesetzt. Das Metall dürfte wie bei den meisten anderen
Grufträumungen der Zeit an Gold- oder Kupferschmiede der Umgebung verkauft worden sein97.
Lediglich die Sargtafel der Klara von Kuefstein (gest. 1618) wurde in Form eines zeitgenössischen
Kupferstichs kopial überliefert (Kat.-Nr. 421a†).
Das im barocken linken Seitenaltar aufgestellte spätmittelalterliche Gnadenbild der bis heute
als Wallfahrtsziel populären Pfarrkirche, eine Darstellung der thronenden, von zwei Engeln bekrönten
Maria mit dem Jesusknaben, der nach einer von einem Engel dargereichten Rose greift,
ist durch die Tatsache bekannt, daß Marias rechte Hand, einen Rosenkranz aus Perlen haltend,
mit sechs Fingern abgebildet ist (alte volkstümliche Bezeichnung der Wallfahrt „Zu unserer lieben
Frau Sechsfinger“). Kurioserweise knüpft sich an dieses Gnadenbild, dessen Stiftung fälschlich
einem quellenmäßig nicht belegten Hans Georg (I.) von Kuefstein als Klienten Leutolds (III.) von
Kuenring um die Mitte des 14. Jahrhunderts zugeschrieben, das vermutlich aber erst 1636 vom
Konvertiten Hans Ludwig von Kuefstein aus dem Kriegseinsatz in den Rheinlanden nach Laach
gebracht wurde, eine spätbarocke (?) Legende zu den Kuenringern, wonach diese als erblichen
genetischen Defekt sechs Finger an der rechten Hand gehabt und durch die Stiftung des Gnadenbildes
Heilung gesucht hätten98.
2.1.8. Maria Langegg, Pfarr- und Wallfahrts- bzw. ehemalige Servitenklosterkirche
Die Geschichte der Pfarr- und Wallfahrts- sowie ehemaligen Servitenklosterkirche in Maria
Langegg99, auf einer Anhöhe im bis ins 18. Jahrhundert hinein Aggswald genannten Dunkelsteinerwald
südwestlich von Mautern gelegen, nimmt ihren Ausgang im beginnenden 17. Jahrhundert
von der Stiftung einer Kapelle in Langegg durch den Salzburger Pfleger und Hofmeister
von Arnsdorf, Wölbling und Traismauer, Matthäus (Matthias) Häring (s. Kat.-Nr. 371). Die
Gründungslegende von Maria Langegg überliefert zum Jahr 1604 die auf Anrufung der Gottesmutter
erfolgte Wunderheilung einer Tochter Härings aus tödlicher Krankheit. Das von Häring
in seinem Arbeitszimmer verehrte Marienbild, eine Kopie des Gnadenbilds von S. Maria del Popolo
in Rom (Hodegetria-Psychosostria-Typus), wurde in der 1605 aus Dankbarkeit errichteten
wohl hölzernen ersten Kapelle aufgestellt. Im Spätsommer des genannten Jahrs wurde zu Mariä
Geburt (8. September) vom Wölblinger Pfarrer Kaspar Mayr auf einem Tragaltar die erste stille
Messe gelesen, es folgte ein feierliches Hochamt mit dem Arnsdorfer Pfarrer Sebastian Pistorius.
Ab 1614 wurde die kleine Kapelle mit Stiftungsgeldern, u. a. auch vom Melker (vor 1587 Altenburger)
Abt Kaspar Hoffmann aus Dankbarkeit für ausgestandene Krankheit sowie von Adam
Eusebius von Hoyos, durch einen ersten steinernen Kirchenbau ersetzt, dessen Hochaltar im
gleichen Jahr geweiht wurde. 1616 wurde dieser Bau neuerlich erweitert, 1631 konsekrierte der
Abt von Göttweig, David Gregor Corner, die Seitenaltäre. Um 1662 wurde unter dem Priorat
des Servitenpaters Konstantin Maria Lechner die alte Kirchenfassade mit Geldern der Maria
Klara Häring und ihres Mannes Johann Wilhelm Ritt sowie des Göttweiger Hofmeisters von
Wolfstein und Gurhof, Andreas Franz Moser (zusammen über 900 fl.), abgetragen und unter
Erweiterung des Kirchenraums für zwei neue Altäre wieder aufgebaut. Der Chor dieser auf einem
kleinen Hügel stehenden „Ursprungskapelle“ blieb bis heute mit geringen baulichen Veränderungen
erhalten (seit 1963 Gedächtniskapelle für die gefallenen und ermordeten Priester beider Weltkriege),
während das Langhaus dem spätbarocken, aus Rücksicht auf den nach Osten orientierten
Vorgängerbau genordeten Neubau der Wallfahrtskirche weichen mußte. Dieser wurde ab 1764
nach Plänen des Steiner Stadtmaurermeister Johann Michael Ehmann, vormals Polier Franz
Anton Pilgrams und auch am Umbau des Klosters Göttweig beteiligt, sowie wahrscheinlich Paul
Ulrich Trientls durchgeführt, 1773 konnte die Kirchenweihe erfolgen. 1783 wurde die Wallfahrtskirche
auch zur Pfarrkirche.
Zur Betreuung des allmählich anwachsenden Pilgerzustroms zum vielleicht frühesten nachreformatorischen
Wallfahrtsheiligtum in Niederösterreich wurde 1620/23 ein eigenes Benefizium
als Filiale von Hofarnsdorf errichtet, dessen Inhaber wöchentlich drei Messen für den Stifter lesen
sollte. Den Gottesdienst in der Langegger Kapelle verrichteten von 1620 bis zur Übernahme der
Seelsorge durch die Serviten zehn verschiedene Benefiziaten, teils Weltpriester aus den umliegenden
Pfarren, teils Ordenspriester wie Chorherren und Franziskaner aus St. Pölten, Dominikaner
aus Krems und Minoriten aus Stein. Letzter Benefiziat war der Zisterzienser P. Adam Ruprecht
aus Wilhering.
1643 riet der aus Tirol stammende schwäbische Benediktiner P. Modest Mayr anläßlich einer
Vakanz der Seelsorgerstelle in Langegg den Serviten in der Roßau bei Wien100, sich um die in
ähnlicher, für einen Wallfahrtsort günstiger Lage wie die Servitenkirche Maria Waldrast bei
Matrei in Ostirol gelegene Kirche zu bewerben, und unterstützte diesen Plan bei Kaiserin Eleonora
Gonzaga, die ebenso wie der NÖ Statthalter Franz Graf Trautson und Rudolf von Teuffenbach
beim Nachfolger der beiden Töchter Härings als Langegger Grundherrn, dem aus Mähren
stammenden ehemaligen Hauptmann im Regiment Breuner, Nikolaus Schober von Hartenbach
und Perschling, zugunsten der Serviten intervenierte. 1644 brachten Kaiser Ferdinand III. und
Erzherzog Leopold Wilhelm als Bischof von Passau Schober schließlich mit zwei persönlichen
Schreiben dazu, die Kirche als Patronatsherr dem Servitenorden zum Bau eines kleinen Klosters
zu überlassen. Schober verzichtete wunschgemäß zugunsten des Ordens auf das Kirchenpatronat,
jedoch nur solange die Niederlassung in Langegg Bestand hätte, und behielt sich „den ersten standt
und begröbnis in der kürchen all zeit“ vor. In der von ihm im Chor der Kirche errichteten Gruft
wurden 1656 seine erste Frau Maria Ritt und 1662 er selbst, in zweiter Ehe mit Anna Maria von
Khuen-Belasy verheiratet, beigesetzt. Noch 1659 hatte er die der Kirche benachbarte und mit
dem Konvent umstrittene kleine Kapelle, in deren Gruft die ersten Stifter, Matthäus Häring und
Maria Mägerle beigesetzt worden waren, übergeben. Nach dem kurz darauf erfolgten Abbruch
der Kapelle wurden die Gebeine der beiden zusammen mit denen Schobers in der neu eingerichteten
Konventgruft wiederbeigesetzt.
Gegen Ende des Jahres 1644 ließ sich der erste Servitenbruder, P. Clemens Maria Pockh, mit
einem weiteren Ordenangehörigen in Langegg nieder. Der u. a. mit Beiträgen des Melker Konvents
finanzierte Baubeginn des Klostergebäudes (Grundsteinlegung 1651 unter Prior P. Anton
Maria Egarter und dem Melker Prior P. Willibald) erfolgte erst 1652 unter Baumeister Domenico
Sciassia mit dem Westtrakt, 1733/34 wurde die dreiflügelig im Westen an die Kirche anschließende
Anlage mit dem Süd- und Osttrakt fertiggestellt101.
Der Servitenkonvent bestand bis 1974 in Maria Langegg, seither ist Langegg wieder Weltpfarre,
auch die Baulast des ehemaligen Klosters trägt die Diözese St. Pölten. 1980 wurde im
Konventtrakt eine Schule der Englischen Fräulein eingerichtet, seit 1993 ist hier die Gemeinschaft
der Seligpreisungen untergebracht. Die ehemals reichen, heute bereits stark dezimierten Bestände
an Votivgaben der Schatzkammer der Wallfahrtskirche (s. Kat.-Nr. 495) sowie der prächtigen
barocken Klosterbibliothek gingen 1974 an das Diözesanmuseum St. Pölten über. Seit 1991 bestehen
Pläne, in den 1994 unter Leitung des Diözesankonservatorats und des Landeskonservatorats
für Niederösterreich des BDA teilrestaurierten Klostergebäuden (Bibliothek, Schatzkammer und
zugehöriger Kreuzgangflügel) eine Dauerausstellung einzurichten. Vom einst dichten Bestand an
Votivtafeln – aus drei 1704, 1741 und 1773 gedruckten Mirakelbüchern der Kirche sind wenigstens
84 Tafeln bekannt – haben sich nur sehr geringe Reste (Kat.-Nr. 453 und 511) erhalten.
Bereits 1741 wurde über den schlechten Erhaltungszustand der Tafeln infolge starker Mauerfeuchtigkeit
geklagt, der Kirchenneubau bis 1773 und weitere Schäden dürften zum großen Verlust
ebenfalls beigetragen haben. Als Sgraffiti ausgeführte Besuchervermerke der Wallfahrer an den
Kirchenwänden wurden noch bei den ersten Restaurierungsmaßnahmen unter Leitung des BDA
1958/59 durch Abschlagen des Putzes bis in Brusthöhe zerstört102.
2.1.9. Mautern, Stadtgemeinde
Die Mauern des am rechten Donauufer in 195 m Seehöhe am Übergang des Stroms aus dem
Durchbruchstal der Wachau in die Ebene des Mauterner Felds gelegenen spätantiken römischen
Limes-Kastells von Favianis/Mautern, dessen Zivilsiedlung im späten 5. Jahrhundert in Eugipps
Vita Severini eine nicht unbedeutende Rolle spielt, waren noch im 8. Jahrhundert soweit intakt,
daß sie eine Schutzfunktion für die frühmittelalterliche, den alten Lagervicus jedoch überschreitende
Besiedelung bieten konnten. Frühmittelalterliche Funde stammen aus dem Siedlungsbereich
ebenso wie aus zwei im Stadtgebiet von Mautern liegenden, zu Ende des 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts entdeckten Gräberfeldern im Bereich des ehemaligen Lagerareals beim früheren
Wirtschaftshof des Klosters St. Nikola bei Passau (Nikolaihof, vgl. zu den Hofmeistern Kat.-Nr.
322f., 335, 342 und 358) bzw. im Bereich Grüner Weg (Funde aus dem ausgehenden 8. bzw.
beginnenden 9. Jahrhundert mit vermutlich slawischer Zuordnung). Die römischen Mauerreste
wurden instandgesetzt und in die mittelalterlichen Befestigungsanlagen selbstverständlich einbezogen102.
Als „civitas Mutarensis“ wurde Mautern, neben Linz und Ybbs einer der bedeutendsten
Orte der Donaugrafschaft des karolingischen Markgrafen Arbo und seines Sohnes Isanric,
zum Jahr 899 in den Annales Fuldenses als Fluchtort Isanrics im Aufstand gegen Kaiser Arnulf
erstmals erwähnt, in der Raffelstetter Zollordnung vom Beginn des 10. Jahrhunderts begegnet
die Zollstätte „ad Mutarun“104. In den folgenden Jahrhunderten kam der Siedlung immer wieder
Bedeutung als Verhandlungsort im passauischen Ostland zu: etwa bei der Regelung der Zehentzuständigkeit
zwischen Enns und Wienerwald auf einer Synode Bischof Pilgrims von Passau
zwischen 985 und 991 oder der Verhandlung des für die hochmittelalterliche Geschichte Wiens
bedeutenden „Mauterner Tauschvertrags“ von 1137104. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde
das bereits früher als „civitas“ und „forum“ bezeichnete und als Schauplatz von Landtaidingen
fungierende Mautern formal zur Stadt: 1276 erhielt der Passauer Bischof von König Rudolf I. das
Recht, seine in Österreich unter und ob der Enns gelegenen Orte, darunter auch Mautern, mit
Mauern zu befestigen, 1279 bestätigte Rudolf den Mauterner Bürgern auf Bitte des Bischofs
die gleichen Rechte, wie sie die Bürger des am linken Donauufer gegenüberliegenden Krems/
Stein zu Wasser und zu Land besaßen. 1467 stellte Kaiser Friedrich III. der Stadt auf Bitte des
Stadtherren, Bischof Ulrich Nußdorfer von Passau, einen Wappenbrief mit dem noch heute
gültigen Wappenbild aus106. 1481 verpfändeten der Passauer Elekt Friedrich Mauerkircher und
das Domkapitel unter den österreichischen Herrschaften neben St. Pölten auch Mautern auf
Wiederkauf an König Matthias Corvinus, die Rückgabe von Mautern und St. Pölten nach dessen
Tod erfolgte erst 1494 durch König Maximilian. 1734 verkaufte der Passauer Bischof Johann
Dominik Graf Lamberg Schloß und Herrschaft Mautern und den damals zugehörigen Markt
Amstetten mit allem Zubehör an den Bamberger und Würzburger Bischof Friedrich Karl Graf
Schönborn, dessen Familie bis ins frühe 20. Jahrhundert im Besitz des Mauterner Schlosses verblieb107.
Die bereits zur Zeit Bischof Egilberts von Passau (1045–1065) errichtete Stephanspfarre Mautern,
eine der Altmannschen Gründungspertinenzen des Klosters Göttweig, wurde wahrscheinlich
in der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Neugründung der Pfarren Obritzberg, Oberwölbling,
Gansbach und Arnsdorf und 1386 durch Errichtung der Filiale Rossatz aufgesplittert. Seit 1443
wurde die Pfarre, dem Kloster 1388 simpliciter, 1398 pleno iure inkorporiert, überwiegend von
Konventualen als Pfarrvikare versehen, nachdem jahrelange Streitigkeiten mit verschiedenen,
offenbar vom Passauer Bischof unterstützten Bewerbern um die Pfarre geherrscht hatten108.
Die Funktion des im Schloß Mautern (gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch sogenannter
„Gerichthof “ oder „Dechanthof“, vgl. zu einer Umgestaltung von 1551 Kat.-Nr. 244) residierenden
Passauer Pflegers und Amtmanns versahen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit
häufig bayerische Niederadelige (vgl. Kat.-Nr. 258), die in Klientelbeziehungen zu den jeweiligen
Bischöfen bzw. dem Domkapitel standen.
2.1.10. Rossatz-Arnsdorf, Gemeinde
Das vermutlich schon seit dem frühen 9. Jahrhundert in Salzburger Besitz befindliche Gebiet in
und um Oberloiben und Weißenkirchen wurde dem Erzstift formal von König Ludwig dem
Deutschen 860 in Form von 24 Königshöfen geschenkt. Der Salzburger Hofmeister und Richter
als Verwalter dieser und der südlich der Donau gelegenen Besitzungen (später die Ortschaften
Ober-, Hof-, Bach- und Mitterarnsdorf sowie St. Johann im Mauerthale), von denen im 11. bis
13. Jahrhundert mehrfache Schenkungen der Salzburger Erzbischöfe an die Erzabtei St. Peter, das
Kloster am Nonnberg und an Admont ergingen, saß bis zur Säkularisation 1803 im nach Erzbischof
Arn benannten (Hof-)Arnsdorf. Unter dem Hofmeister und Richter fungierten seit wenigstens
1324 namentlich bekannte Schreiber als Salzburger Amtleute. Zwischen 1219 und 1234
ist in Arnsdorf ein Leutpriester („plebanus“) Wipoto belegt, 1236 beanspruchte jedoch offenbar
der Pfarrer von Mautern die dem Salzburger Domkapitel als Patronatsinhaber unterstehenden
Kirchen Hofarnsdorf und Oberwölbling als seine Filialkirchen. Auch in Arnsdorf traten in der
Mitte des 16. Jahrhunderts die allgemein zu konstatierenden Schwierigkeiten der auswärtigen
geistlichen Patronatsinhaber auf, die Pfarren mit geeigneten (katholischen) Seelsorgern zu besetzen109.
In der 1240 erstmals genannten und zur Pfarre Hl. Rupert in Hofarnsdorf gehörigen Fk. St.
Johann im Mauerthale bestand bis zum Abbruch 1862 unter Pfarrer Johann Hametner ein in
seiner Entstehungszeit nicht näher datierbares Memoriengrabmal des Hl. „Albin“/Adalwin. Nach
der von Hartmann Dückelmann (s. unten Kap. 4.1.) wiedergegebenen älteren Beschreibung des
Grabmals und der mit der Heiligenstatue in Zusammenhang gebrachten Mirakelaufzeichnungen
von 1637 durch den damaligen Salzburger Pfleger und Hofmeister von Arnsdorf, Michael Stubenvoll110,
und Dückelmanns Federzeichnungen von 1777 befand sich in der Mitte der Kirche
eine auf bloßem Erdboden aufgemauerte Tumba, nach Süden (Kirche genordet!) zu geöffnet,
jedoch mit einem schmiedeeisernen Gitter versehen. An den Längswänden befanden sich kleine
Blindfenster, am Nordende der Tumba stand in einer hohen Rundbogennische die angeblich
wundertätige Statue eines Pilgers in rotem Kleid und blauem Mantel mit schwarzem Hut und
schwarzen Stiefeln, die als Darstellung Adalwins verstanden wurde. Die spätgotische Statue befindet
sich heute als einzig sichtbarer Rest des Grabmals in einer mit dem wohl ebenfalls vom
Grabmal stammenden Barockgitter verschlossenen Rundbogennische unter der Orgelempore,
Reste der Mauern des Grabmals, das offenbar über einer kleinen leeren Gruft oder eher einem
Grabschacht gestanden hatte, wurden 1970 ergraben111. Die sehr dünne Arnsdorfer Überlieferung
bezeichnet das Grab abwechselnd als das des Hl. Albin (Bischof von Angers) bzw. passender als
das des „Hl.“ Adalwin, also des seit 859 regierenden, 873 verstorbenen Salzburger Erzbischofs
Adalwin112, der jedoch niemals kanonisiert wurde. Die Darstellung als Pilger passt jedenfalls
ikonographisch zu keiner der beiden Personen. Zumindest seit 1332 bestand in St. Johann aber
offensichtlich eine lokale Verehrung eines „Hl.“ Adalwin (s. Kat.-Nr. 18†). Noch 1637 waren
auch teils wächserne, teils eiserne Votivgaben (u. a. Hufeisen) von Besuchern des Leonhardaltars
an der Kirchennordseite erhalten, die auf eine bescheidene Wallfahrt zum Altar des populären
Viehpatrons schließen lassen.
Der Ort bzw. die Herrschaft Rossatz, zu 985/91 in den Passauer Traditionen erstmals erwähnt,
seit 1280 als landesfürstliches Lehen im Besitz der Kuenringer, befand sich nach dem Aussterben
der Dürnsteiner Linie des Geschlechts 1355 auf dem Erbweg im Besitz der Herren von Wallsee113.
1462 erlangte der Ort das Marktrecht unter Wolfgang (V.) von Wallsee, der Herrschaft und Markt
bereits zwei Jahre später an Matthäus (Matthias) von Spaur verkaufte. Von seinem Sohn Christoph
von Spaur gelangte Rossatz an Ludwig Kirchberger und später an dessen Erben, schließlich 1581
ungeteilt an den mit der Kirchberger Erbin Elisabeth von Mam(m)ing verheirateten Hans Christoph
Geymann114.
Die Pfarre zum Hl. Jakob in Rossatz war als Filiale von Mautern seit 1386/88 dem Kloster
Göttweig (pleno iure) inkorporiert, die Seelsorge versahen bis in die 1540er Jahre hinein überwiegend
Göttweiger Konventualen. Die Vogtei über die Pfarruntertanen übte meist der jeweilige
Inhaber der Herrschaft Rossatz aus. Dieses Verhältnis führte wie an vielen anderen Orten auch
in Rossatz während der Reformation zu Spannungsverhältnissen, zumal im 16. Jahrhundert das
Patronat als Pertinenz der Herrschaft seit den Zeiten Wolfgangs (V.) von Wallsee (vor 1464) angesehen
wurde115. Vor 1598 hatte Hans Christoph Geymann im Schloßhof Rossatz (s. Kat.-Nr.
353) einen Predigtstuhl errichten und ein Scheunengebäude adaptieren lassen, in dem die protestantische
Bevölkerung der Rossatzer Umgebung unter Ausnutzung der frei interpretierten
Religionskonzession von 1568 von Geymanns Schloßprediger mit dem Gottesdienst versehen
wurde, im Herbst 1598 sogar einen evangelischen Kirchenneubau in Rossatzbach begonnen116.
Nach Beilegung des Patronatsstreits 1599 dauerte die Konsolidierung der Göttweiger Seelsorge
in Rossatz, mitbedingt durch den Mangel an geeigneten Priestern aus dem Konvent, jedoch noch
drei Jahrzehnte an. Erst im Jahr 1630 führte Abt Georg Falb zusammen mit dem Melker Dechanten
Weinberger und Hieronymus von Montecuccoli als Reformationskommissare gegenreformatorische
Maßnahmen im Bereich des Dekanates Melk im heutigen Bezirk Krems südlich der
Donau durch. Die Arnsdorfer und Langegger Untertanen hatten sich dabei im Gurhof, dem Verwaltungszentrum
der Göttweiger Herrschaft Wolfstein, die Rossatzer Untertanen – wohl auch
zum Zeichen der Anerkennung des Göttweiger Patronats – in Göttweig einzufinden und mußten
zwangsweise zum Katholizismus konvertieren117.
Der ursprüngliche Chor der im östlichen Kern des Langhauses noch aus dem 12. Jahrhundert
stammenden Rossatzer Pfarrkirche wurde um 1290/1320 zu einem gotischen Rechteckchor erweitert,
während das Langhaus erst im 15. Jahrhundert nach Westen erweitert und umgebaut
wurde (vgl. Kat. Nr. 74). Eine basilikale Gestaltung erhielt das Langhaus erst im 17. und 18. Jahrhundert118.
2.1.11. St. Michael, Fk. (und ehem. Pfk.) Hl. Michael
Der Ort St. Michael, am nördlichen Donauufer nordöstlich von Spitz gelegen, wird im ganzen
Mittelalter in Urkunden fast immer mit dem Zusatz „in der Wachau“ genannt. Als ältester und
räumlich ausgedehntester Kirch- bzw. Pfarrort der Wachau, vielleicht schon um 987 nach wahrscheinlichen
Bruch der karolingischen Tradition in dieser Funktion existierend, gelangte St.
Michael (samt der Filiale Niederranna) 1159 im Tausch mit Bischof Konrad von Passau gegen 14
Hufen nahe der Passauischen Herrschaft Ebelsberg unter Propst Heinrich Castor (Piber) an das
Kloster St. Florian. Obwohl seit damals die 1220 von Bischof Ulrich (II.) von Passau bestätigte
Möglichkeit bestand, die Seelsorge durch eigene Chorherren versehen zu lassen, scheinen bis
wenigstens 1299, dem Datum einer neuerlichen bischöflichen Bestätigung dieses Rechts, Weltpriester
als Vikare neben mehreren Gesellpriestern – 1290 wird ein „dominus Eberhardus sacerdos,
socius aput sanctum Michaelem“ genannt – zu dominieren. Seit 1303 präsentierte St. Florian
Chorherren auf die Pfarre. Zusammen mit den später eigenständigeren Orten Weißenkirchen (bis
ins Spätmittelalter auch alleine: „Wachau“), Wösendorf und Joching bildete St. Michael mit seit
etwa 1367 marktartigen Zügen eine bis 1848 bestehende Gemeinde Tal Wachau, die zeitweise
auch mit eigenen Repräsentanten auf dem Landtag vertreten war. 1493 stellte König Maximilian
I. den Bürgern von Wachau einen Wappenbrief aus, in dem als Grenzen des Gerichts Wachau im
Osten der Watstein nordwestlich von Dürnstein, im Westen der Mieslingbach östlich von Spitz,
im Süden die Strommitte der Donau und im Norden die Kleine Krems und der Simbach genannt
werden.
Bereits seit den frühen 1540er Jahren hatte das Kloster St. Florian andauernde Schwierigkeiten,
die Pfarre St. Michael mit einer ausreichenden Anzahl von katholischen Priestern zu versehen.
1568 berief Reichard Streun von Schwarzenau als Inhaber der Herrschaft Wachau und Vogt von
St. Michael einen lutherischen Prädikanten, Christoph Täbinger, der die Pfarre anstelle des von
St. Florian eingesetzten religiös indifferenten und verheirateten Chorherren und Pfarrers Wolfgang
Kuttner (1570–78) versah. Auf Täbinger folgten mehrere protestantisch gesinnte oder konfessionell
indifferente Seelsorger, erst 1597 wurde wieder katholischer Gottesdienst in St. Michael
gefeiert, noch Anfang 1605 sollten aber die nach dem Tod Streuns unter Albrecht Enenkel von
Albrechtsberg verbliebenen Prädikanten in Weißenkirchen und Wösendorf entfernt werden, und
1624 hatte Christoph Wilhelm von Zelking als Inhaber von Dürnstein und Tal Wachau immer
noch zwei Prädikanten und einen evangelischen Schulmeister in Weißenkirchen unterhalten.
Die Kirche Mariä Himmelfahrt in Weißenkirchen, offenbar wenigstens seit 1188 bestehend,
gelangte 1258 durch Verzicht Alberos von Kuenring auf die strittigen Patronatsrechte als Filiale
von St. Michael an St. Florian. 1346 verpflichtete sich das Kloster, gegen 10 lb. den. Widerlegung
in Weißenkirchen von St. Michael aus regelmäßigen Gottesdienst halten zu lassen, spätestens 1451
besetzte Propst Lukas die Filialkirche mit einem eigenen, nun im Weißenkirchener Zechhaus
(„Pfarrhof“, ehemals Weißenkirchen [Bachg.] Nr. 83) zusammen mit drei Kaplänen residierenden
Quasi-Pfarrer. Auch in Weißenkirchen als Filiale von St. Michael entstanden spätestens ab den
1540er Jahren Probleme mit der Besetzung der Seelsorgerstellen mit qualifizierten Geistlichen
durch den Propst von St. Florian.
Aus dem Herrschaftsgebiet in der Wachau stammten im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit
zahlreiche Chorherren des Klosters, etwa der Wösendorfer Wolfgang Habermann (gest. 1534),
der 1519 seine Primiz in St. Florian feierte, der aus dem Tal Wachau gebürtige Wolfgang Wieser,
der seine Profeß 1532 ablegte oder der im selben Jahr verstorbene Valentin Schopperl. Der Sitz
der St. Florianer Pfarre St. Michael wurde schließlich 1784 nach Wösendorf verlegt119.
Die seit dem 19. Jahrhundert in zahlreichen Aquarellen, Stichen und Radierungen wiedergegebene
heutige Filialkirche Hl. Michael in St. Michael mit dem daneben liegenden, 1395 von
Seifried Freitl von Wösendorf und seiner Frau Margarete bestifteten Karner zur Hl. Dreifaltigkeit,
zur Hl. Katharina und zum Hl. Paulus, stammt als relativ geschlossen erhaltene Wehranlage nach
einem Brandschaden aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts (vgl. dazu die Bauzahlen Kat.-Nr.
162 und 163), lediglich in der Langhaussüdwand sind eine Säulenbasis vom Vorgängerbau des
12. Jahrhunderts und einige Reliefköpfe als Spolien erhalten geblieben. Ein Brand des Westturms
1532 vernichtete das Geläute. Nach einem neuerlichen Brand von 1630 wurde die spätgotische
Staffelhalle mit mächtigem, wehrhaftem Westturm (das Glockengeschoß erst 1544 vom Kremser
Steinmetzmeister Lienhard [Leonhard] aufgesetzt) vom Kremser Baumeister Cipriano Biasino
1631–34 neu eingewölbt, die spätgotischen Pfeiler wurden ummantelt120.
2.1.12. Spitz, Marktgemeinde
Spätestens 1111 wurde vom bayerischen Benediktinerkloster Niederalteich eine Kirche zum Hl.
Mauritius in Spitz, also im Bereich der dem Kloster wenigstens 830 von König Ludwig dem
Deutschen geschenkten Gebiete in der Wachau, erbaut, die zunächst im alten passauischen Pfarrverband
von St. Michael verblieb. Mit dem zunehmenden Einfluß des Klosters St. Florian in St.
Michael und der Inkorporation der Pfarre zugunsten der Chorherren 1159/63 bemühte sich
Niederalteich um die Loslösung der Spitzer Kirche aus der älteren Pfarre121. Die durch entsprechenden
Verzicht von St. Florian 1220/25 selbständige Pfarre Spitz wurde Niederalteich unter
Bischof Rüdiger von Passau 1238 inkorporiert. Bischof Bernhard von Passau erteilte 1299 dem
Kloster das Privileg, die niederösterreichische Pfarre auch mit eigenen Konventualen besetzen zu
können122. Spätestens seit dem frühen 18. Jahrhundert führte die Pfarre Spitz den auch seitens des
Passauer Offizialats unbeanstandeten Titel einer Propstei, der möglicherweise auf zwei resignierte
Niederalteicher Äbte ( Johann Grünwald und Placidus Krammer) zurückzuführen ist, die
im 17. Jahrhundert die Pfarre Spitz innehatten und als Vikare von ihrem früheren äbtlichen Recht
zum Tragen der Pontifikalien Gebrauch gemacht hatten123.
Die Pfarrkirche zum Hl. Mauritius in Spitz124 befindet sich im östlichen Teil des Markts auf
einer Geländestufe des etwa 50 m über Donau gelegenen Kirchenplatzes. Die bis ins frühe 19.
Jahrhundert vom mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Friedhof umgebene Kirche bestand aus
dem um 1260 an das romanische, zwischen 1360 und 1390 durch einen gotischen Neubau ersetzte
Langhaus angebauten quadratischen Westturm, an dessen Südseite im letzten Viertel des 14.
Jahrhunderts eine von Wolfhard von Au und seiner Frau Anna, geb. Hülber (s. Kat.-Nr. 32 und
46), gestiftete Marienkapelle (heute Antoniuskapelle), an das südliche Seitenschiff im Osten anschließend
und das Turmerdgeschoß im Westen überragend, angebaut wurde, sowie ursprünglich
einem um 1350/60 errichteten gotischen Chor mit zwei von einem älteren, nach 1300 errichteten
Chorbau übriggebliebenen Seitenkapellen. Mit dem Bau des heute bestehenden spätgotischen
Chors wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts begonnen125, das Mittelschiff wurde ab 1511, die
Seitenschiffe wurden wohl ab 1514/15 eingewölbt (vgl. Kat.-Nr. 156). Der bemerkenswert starke
Achsenknick von etwa 22° zwischen Langhaus und Chor erklärt sich nicht aus Gegebenheiten
des Baugeländes, da auch für die so gewählte Position bedeutende Substruktionen für den Chorbau
aufgeführt werden mußten, sondern dürfte von zwei Faktoren bestimmt sein: einerseits scheint
der an der Schnittstelle von altem Chor und Langhaus in den spätgotischen Triumphbogen einbezogene
nördliche Chorstrebepfeiler einen Knick bedingt zu haben, andererseits entspricht die
starke Abweichung der Chororientierung von Osten einer an allen nahe der Donau stehenden
Wachauer Kirchen zu beobachtenden Ausrichtung der Gesamt- oder wenigstens der Chorachse
parallel zur landschaftsgliedernden Fließrichtung der Donau. Auf diese Art entstanden Abweichungen
von der gewohnten Ostung um bis zu 75°. Hinsichtlich der ursprünglich in der Pfarrkirche
vorhandenen Grabplatten ist mit einem zahlenmäßig nicht abschätzbaren Verlust der
Originale zu rechnen, da 1735 der Kirchenboden aufgeschüttet und mit einem neuen Fußboden
aus Solnhofer Steinplatten gepflastert wurde (vgl. Kat.-Nr. 312†)126.
2.1.13. Unterranna, ehem. Paulinerkloster
Das Paulinerkloster in Unterranna127, westlich von Spitz im hügeligen Ötzbachtal gelegen, wurde
1414 unter der Regierung des 14. Ordensgenerals, Gregorius de Ete, von Hans (III.) von
Neidegg zu Ranna und seiner Frau Kunigunde von Lasberg am Fuß des Burgbergs von Oberranna
anstelle einer älteren Kirche Hll. Maria und Stephan unter Übernahme von deren Patrozinium
gegründet und für eine Zahl von zwölf Konventualen dotiert. Im Folgejahr wurde die
zunächst noch unzureichend abgesicherte Stiftung durch Zustimmung und Bestätigung des
Passauer Bischofs Georg von Hohenlohe vollzogen, 1416 erfolgte eine Privilegierung Herzog
Albrechts V. über den Bezug und mautfreien Transport von drei Schilling Fuder Salz aus Hallstatt
für den Konvent128. Von Anfang an scheint die Klosterkirche als Gegenpol zu der dem Kloster
St. Florian inkorporierten nahen Pfarrkirche Hl. Margarete in Niederranna zur Übernahme der
bis dahin an der baugeschichtlich bedeutenden romanischen Burgkirche Hl. Georg129 liegenden
Pfarrechte für die Burgbewohner und die in Unterranna wohnenden Untertanen vorgesehen
gewesen zu sein. Schon 1416 wurden mit bischöflicher Erlaubnis die Bestattungen am Friedhof
um die Burgkirche eingestellt und der Platz um die in Bau befindliche Klosterkirche belegt. Die
Weihe der Klosterkirche erfolgte noch im selben Jahr, die Übertragung der pfarrlichen Rechte
jedoch erst 1424, wohl nach Beendigung der Bauarbeiten. Im Chor der Klosterkirche wurden das
Stifterehepaar 1424 und 1425 (s. Kat.-Nr. 50†), deren Sohn und dessen Frau 1457 und 1459
(s. Kat.-Nr. 80) im von ihnen mit Altären ausgestatteten Kreuzgang beigesetzt. Die Kirche des
im 15. Jahrhundert von zahlreichen lokalen Stiftern mit Zuwendungen bedachten Klosters130 blieb
wenigstens bis ins frühe 16. Jahrhundert Grablege der spätestens unter Roland von Neidegg zu
Ranna zum Protestantismus übergetretenen Herrschaftsinhaber. 1728 ließ sich der letzte männliche
Vertreter der Familie, der NÖ Oberkommissar, Raitherr und Herrenstandsverordnete
Ferdinand Raimund von Neidegg aus der alleine noch bestehenden Wildegger Linie des Geschlechts,
in der Klosterkirche bestatten131.
Im 16. Jahrhundert traten auch in Unterranna die in allen niederösterreichischen Klöstern zu
konstatierenden wirtschaftlichen und monastischen Verfallserscheinungen auf, die das Kloster, in
dem sich seit der Gründung immer wieder auch ungarische Mönche aufhielten, zum fast völligen
Zusammenbruch führten. 1561 befanden sich außer dem Prior Fr. Michael zwei Konventualen
und ein Konverse, alle Ungarn, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, mit zwei Frauen
und einem Kind im Kloster. 1580 ließ der aus Agram/Zagreb stammende Prior Stephan im Anschluß
an die erst wenige Jahre zurückliegende Restitution der entfremdeten Stiftungsgüter durch
die Neidegger die Urkunden des Klosters sammeln und ein neues Grundbuch anlegen. Ein unter
Prior Oswald Winseck angelegtes Kopialbuch wurde im Wiener Neustädter Paulinerkloster aufbewahrt.
1619 hatte das Kloster schwere Plünderungen im Zuge der böhmischen Unruhen hinzunehmen
(vgl. Kat.-Nr. 66†). Durch die Bemühungen der Ordensgenerale Martin Borkowich
(Márton Borkovics, ab 1644) und Paul Ivanovic (Pál Ivanovics, ab 1650) (gezielte Forcierung von
lokalen Wallfahrten etc.) erlangte das Kloster in der Mitte des 17. Jahrhunderts wieder einige
seelsorgliche Bedeutung. 1664 wurde unter dem seit dem Vorjahr regierenden gebürtigen Linzer
Prior Benedikt Leipolt ein neuer Friedhof angelegt und dem besonders in Ungarn bedeutenden
Schulwesen des Ordens durch Einrichtung einer Lehrstätte Rechnung getragen. Die stark
frequentierte Wallfahrt und die Zunahme des Konvents erforderten in der Folge eine bauliche
Umgestaltung des Klosters, die durch Zuwendungen Kaiser Leopolds I., der NÖ Stände, vor
allem aber durch eine Stiftung der Inhaberin von Oberranna, Elisabeth Forest, geb. Blumberger,
Witwe nach Johannes Chrysostomus Wening von Greiffenfels bzw. aus zweiter Ehe nach Franz
Melchior Forest zu Schwallenbach, in der Höhe von 6000 fl. durchgeführt werden konnte. 1677
wurden vier neue Altäre angeschafft (Hochaltar: Hl. Maria, Hl. Paulus d. Einsiedler, Hl. Sebastian
und Hl. Kreuz) und geweiht, 1678 ein Kalvarienberg angelegt. Im Jahr 1680 wurde unter dem
1669 kurzeitig nach Böhmisch Krumau/Český Krumlov postulierten Prior Benedikt Leipolt die
als wundertätig verehrte spätgotische Marienstatue im Hochaltar aufgestellt. 1685 wurden die
Kirchenfassade barockisiert und der Kircheninnenraum neu gestaltet. Im Juli 1783 wurde das
Hofdekret über die Aufhebung des mit 17 Priestern und zwei Laienbrüdern unter Prior Alois
Winter besetzten Klosters in Unterranna erlassen, die mit 25. Oktober wirksam wurde. Der Auszug
des Konvents erfolgte ab dem Weihnachtstag des Jahres. Die Klostergebäude und die zur
Klosterherrschaft gehörenden Wälder wurden 1786 an die Grafen Herberstein verkauft, während
die Klosterherrschaft bis 1792 beim Religionsfonds verblieb, dann an die Familie Stiebar versteigert
wurde und im Anschluß rasch wechselnde Besitzer erlebte (1823 k. k. Familiengüterdirektion,
1829 Johann Weidmann). 28 mittelalterliche Handschriften der insgesamt zwischen
1500 und 4000 Bände zählenden Klosterbibliothek, teils vom namentlich bekannten Konventualen
Nikolaus von Ranna geschrieben, gelangten schließlich in die Klosterbibliothek Göttweig.
Um 1827/30 wurde ein Teil der noch bis 1797 als Lokalkaplanei bzw. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt
fungierenden Klosterkirche sowie Kreuzgang und Süd- und Osttrakt der Konventsgebäude
demoliert. Im Jahr 1813 befand sich in den aufrechten Baulichkeiten ein kurzlebiges Graphitwerk
des Anton Martin Thym, der nach dessen Schließung eine Klavierproduktion im ehemaligen
Kloster betrieb. 1831 wurde die Graphitverarbeitung in den Baulichkeiten vom Wiener Kaufmann
Anton Kersa neu aufgenommen. Im 20. Jahrhundert wurden die Baulichkeiten als Fremdenpension
bzw. schließlich als Wohnhaus (Unterranna Nr. 91) adaptiert132.
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich • Politischer Bezirk Krems • Historischer Überblick • Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte • Dürnstein, Stadtgemeinde (mit Loiben) • Göttweig, Benediktinerkloster Mariä Himmelfahrt • Grafenegg, Schloß • Haitzendorf • Imbach, ehem Dominikanerinnenkloster • Langenlois, Stadtgemeinde (mit Gobelsburg) • Maria Laach am Jauerling, Pfarr- und Wallfahrtskirche • Maria Langegg, Pfarr- und Wallfahrts- bzw ehemalige Servitenklosterkirche • Mautern, Stadtgemeinde • Rossatz-Arnsdorf, Gemeinde • St Michael, Fk (und ehem Pfk) Hl Michael • Spitz, Marktgemeinde • Unterranna, ehem Paulinerkloster • Andreas Zajic •
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Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, 2. Historischer Überblick,
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